Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Die Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten über den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG ab dem 1.7.2004 verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot.
Sachverhalt
Eine Steuerpflichtige errichtete in 2001 ein Gebäude, das sie teilweise zu steuerpflichtiger Vermietung (an den Ehemann) und teilweise zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Die Besteuerung der privaten Nutzung erfolgte gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG. Die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe wurde nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG ermittelt.
Während die Finanzverwaltung die Anschaffungs- und Herstellungskosten ab dem 1.7.2004 entsprechend der durch das EURLUmsG v. 9.12.2004 (BGBl 2004 I S. 3310, 3319) geänderten Fassung des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG über den maßgeblichen 10-jährigen Vorsteuerberichtigungszeitraum verteilte, begehrte die Steuerpflichtige bis zur Verkündung der Gesetzesänderung (14.12.2004) die Berücksichtigung mit den ertragsteuerrechtlichen Abschreibungsbeträgen.
Entscheidung
Das Gericht sah die Klage als unbegründet an. Ein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Vorgaben besteht nicht, da kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer günstigen Rechtslage besteht.
Die Finanzverwaltung hatte schon mit Schreiben vom 13.4.2004 (BStBl 2004I S. 468) ihre Auffassung geändert und für die private Verwendung von Gegenständen nicht mehr den Ansatz der Abschreibungsbeträge, sondern die Verteilung der Kosten über den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum vorgegeben. Spätestens ab diesen Zeitpunkt konnte nach Auffassung des Gerichts die bisherige Auffassung nicht mehr als herrschende Meinung angesehen werden.
Da zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung (1.7.2004) nach Auffassung des Gerichts auch schon mit einer Gesetzänderung als Reaktion auf die Rechtsprechung des EuGH zur Selbstnutzung von Immobilien zu rechnen war, besteht kein schutzwürdiges Vertrauen in das Bestehen der Altregelung des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG.
Hinweis
Die Behandlung der Eigennutzung von dem Unternehmen zugeordneten Grundstücken ist zumindest seit dem 1.7.2004 klar: Aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten hat der Unternehmer den vollen Vorsteuerabzug, muss diese aber über den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum nach § 15a UStG verteilt der Besteuerung unterwerfen. Diese Verteilungsregelung verstößt auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Das die dafür notwendige gesetzliche Regelung erst im Dezember 2004 verkündet wurde, ist nach dem Urteil des FG Münster nicht von Bedeutung.
Zu beachten ist aber, dass für alle Gebäude, bei denen die Anschaffung aufgrund eines nach dem 31.12.2010 abgeschlossenen Vertrags oder einem nach diesem Zeitpunkt liegenden Herstellungsbeginns ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG auf die Gebäudeteile beschränkt werden soll, die tatsächlich für unternehmerische Zwecke verwendet werden sollen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 04.03.2010, 5 K 3484/08 U