Leitsatz
Eine Änderung bestandskräftiger Bescheide aufgrund widerstreitender Steuerfestsetzung ist bei Gesetzesänderungen auf die Fälle beschränkt, in denen die Finanzbehörde den bestimmten Sachverhalt, soweit er für beide Gesetzesfassungen maßgeblich ist, in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft beurteilt hat (§ 174 Abs. 4 AO). Eine Ergänzung um weitere Tatbestandsmerkmale infolge einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung stellt eine unzulässige Sachverhaltsergänzung dar.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH. Der Beklagte setzte für 1996 die KSt mit DM fest. Ebenso wurde zum 31. Dezember 1996 ein verbleibender Verlustabzug zur KSt festgestellt. Im KSt-Bescheid 1997 berücksichtigte der Beklagte zunächst einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und setzte die KSt für 1997 daher mit DM 0 und zum 31. Dezember 1997 einen verbleibenden Verlustabzug zur KSt fest. Die Bescheide für 1997 ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte die Steuerbescheide für 1997. Verluste aus 1996 wurden nicht mehr berücksichtigt, weil bereits in 1996 ein Branchenwechsel bei der Klägerin stattgefunden und innerhalb der letzten fünf Jahre sich ein vollständiger Gesellschafterwechsel vollzogen hatte. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Im sich anschließenden Klageverfahren wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Die wirtschaftliche Identität der Klägerin war bereits 1996 verloren gegangen, so dass der Verlustabzug bereits 1996 hätte versagt werden müssen. Der Beklagte hob die Verlustfeststellungsbescheide 1997 auf und erließ später Änderungsbescheide für 1996 hinsichtlich des verbleibenden Verlustvortrags aufgrund widerstreitender Steuerfestsetzung. Nach erfolglosem Einspruch wurden diese Änderungsbescheide Gegenstand des Klageverfahrens.
Entscheidung
Die Klage war begründet. Eine Änderung aufgrund widerstreitender Steuerfestsetzung setze voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt aufgrund fehlerhafter Beurteilung im Tatsächlichen oder Rechtlichen zu Unrecht im unrichtigen Bescheid erfasst und dieser Bescheid später auf Betreiben des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben worden sei (§ 174 Abs. 4 AO). Hierbei müssten aus demselben, d. h. unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten Sachverhalt andere steuerliche Folgen in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen zu ziehen sein. Der Sachverhalt, den der Beklagte den aufgehobenen Feststellungsbescheiden 1997 zugrunde gelegt habe, divergiere von dem Sachverhalt, der den nunmehr streitigen Feststellungsbescheiden zugrunde liege. Ginge der Beklagte bei der Verlustfeststellung zum 31. Dezember 1996 unverändert vom Sachverhalt aus, der der Verlustfeststellung zum 31. Dezember 1997 zugrunde gelegen habe, nämlich die Veräußerung aller Geschäftsanteile sowie die Zuführung neuen Betriebsvermögens, würde dies nicht für die Versagung des Verlustabzugs zum 31. Dezember 1996 genügen. Der Tatbestand des § 8 Abs. 4 KStG 1991 lasse im Gegensatz zum Tatbestand des § 8 Abs. 4 KStG 1997 die bloße Fortführung des Betriebs nicht genügen. Erforderlich seien die Einstellung und Wiederaufnahme des Betriebes gewesen. Der Regelungsbereich der Änderungsvorschrift über eine widerstreitende Steuerfestsetzung werde in Fällen, in denen sich die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale zwischen den streitigen Veranlagungszeiträumen oder Feststellungszeitpunkten änderten, auf die Fälle beschränkt, in denen die Finanzbehörde den bestimmten Sachverhalt, soweit er für beide Gesetzesfassungen maßgeblich sei, in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft beurteile.
Hinweis
Der erkennende Senat sah keinen Grund, die Revision zuzulassen. Allerdings war die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten beim BFH erfolgreich. Mit Beschluss vom 25.1.2005 ließ der BFH die Revision zu. Der Berater wird in gleich gelagerten Fällen Einspruch einlegen. Im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren mit dem Aktenzeichen I R 8/05 erscheint es zweckmäßig, das Einspruchsverfahren ruhen zu lassen (§ 363 Abs. 2 Satz 1 AO).
Link zur Entscheidung
FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 17.08.2004, 2 K 2411/03