Leitsatz
Die Flucht eines Landwirts unter Zurücklassung von Zetteln mit der Anweisung zur Betriebsauflösung bewirkt keine sofortige Aufgabe eines aktiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebs. Erforderlich ist darüber hinaus die Umsetzung des Entschlusses zur Betriebsaufgabe durch Veräußerung und/oder Entnahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen.
Normenkette
§ 14 Satz 2, § 16 Abs. 3 EStG
Sachverhalt
Ein hoch verschuldeter Landwirt verschwand im April 1991 unter Zurücklassung einer Vollmacht und eines Zettels mit dem Inhalt „Ich will nicht mehr. Verkauft alles incl. Ländereien und löst alles auf”. Der Bevollmächtigte veräußerte bis zum Oktober 1991 lebendes und bewegliches Inventar und später auch alle Grundstücke. Zwei Jahre später tauchte der Landwirt wieder auf und genehmigte alle Veräußerungen. Anschließend wurden Jahresabschlüsse gefertigt und Steuererklärungen auf der Grundlage eines fortbestehenden Betriebs abgegeben.
Das FA veranlagte 1991 erklärungsgemäß. Für die Streitjahre 1992 und 1993 ging das FA von laufenden Gewinnen aus der Veräußerung des Anlagevermögens aus, während der Landwirt meinte, er habe den Betrieb mit seinem Weggang im April 1991 aufgegeben. Das FG folgte der Auffassung des Landwirts.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des FA statt und verwies das Verfahren an das FG zurück. Ebenso wenig wie der Tod führe das Verschwinden des Betriebsinhabers zur Betriebsaufgabe. Eine Erklärung reiche bei einem aktiven Betrieb nicht für eine Betriebsaufgabe aus. Das FG müsse noch klären, wann die letzte wesentliche Betriebsgrundlage veräußert oder ins Privatvermögen überführt worden sei.
Hinweis
1. Der außergewöhnlich gelagerte Fall gab dem BFH Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur Betriebsaufgabe von landwirtschaftlichen Betrieben zusammengefasst darzustellen. Neuigkeiten enthält die Urteilsbegründung nicht.
2. Eine Betriebsaufgabe setzt grundsätzlich eine Aufgabehandlung voraus. Darunter sind Maßnahmen zu verstehen, die zu einer endgültigen Einstellung des Betriebs führen. Die Veräußerung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen an verschiedene Erwerber bzw. die teilweise Veräußerung und im Übrigen Entnahme der übrigen wesentlichen Betriebsgrundlagen sind Aufgabehandlungen. Zu einer Betriebsaufgabe führen sie aber nur dann, wenn sie in zeitlichem Zusammenhang ausgeführt werden (ca. 24 Monate).
Es reicht aber ggf. auch die bloße Einstellung des Betriebs aus, wenn sie als endgültig zu erkennen ist. Die noch vorhandenen Wirtschaftgüter gehen dann kraft Gesetzes ohne ausdrückliche Handlung in das Privatvermögen über. Im Besprechungsfall lag in der „Flucht” des Unternehmers keine solche Betriebseinstellung, weil er Familienmitglieder zur Veräußerung des Betriebs aufgefordert und bevollmächtigt hatte. Allerdings wäre denkbar, dass der Bevollmächtigte Aufgabehandlungen vorgenommen hat. Dazu waren noch nicht genügend Feststellungen vom FG getroffen worden.
3. Beachten Sie, dass im Fall einer Betriebsverpachtung, wie sie vor allem in der Landwirtschaft vorkommt, der Verpächter seinen Betrieb auch ohne Aufgabehandlung allein durch eine Erklärung aufgeben kann. Diese Erklärung muss aber wegen der steuerlichen Folgen unmissverständlich abgegeben werden. Aus Handlungen kann nur dann ausnahmsweise auf eine Aufgabeerklärung geschlossen werden, wenn sie den Schluss darauf zulassen, dass der Verpächter die Versteuerung der stillen Reserven in Kauf nehmen will. Zu einer Zwangsbetriebsaufgabe kommt es im Verpachtungsbetrieb allerdings dann, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen so umgestaltet werden, dass der Betrieb nicht einmal in verkleinerter Form mehr aufgenommen werden kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.08.2007, IV R 5/06