Leitsatz
1. Rindfleisch, für das ein gemeinschaftsrechtliches Verbot der Ausfuhr aus einem bestimmten Mitgliedstaat nach den anderen Mitgliedstaaten und nach Drittländern gilt, ist nicht als Erzeugnis von "gesunder und handelsüblicher Qualität" anzusehen.
2. Für die Gewährung von Erstattungen ist vom Ausführer der Nachweis zu verlangen, dass das ausgeführte Erzeugnis nicht aus einem Mitgliedstaat stammt, aus dem die Ausfuhr verboten ist.
3. Die in einem nationalen Zahlungsantrag abgegebene Versicherung der "gesunden und handelsüblichen Qualität" gehört nicht zu den Angaben, deren Unrichtigkeit eine Sanktion nach Art. 11 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 auslöst.
Normenkette
Art. 3, 11 Abs. 1, Art. 13, 47 Abs. 1 und 2 Verordnung (EWG) Nr. 3665/87
Sachverhalt
Ein Exporteur meldete 1997 mehrere Ausfuhrsendungen mit gefrorenem Rindfleisch zur Ausfuhr an. Zu dieser Zeit war durch die Entscheidung 96/239 die Ausfuhr von Rindfleisch aus Großbritannien verboten. Das Fleisch, das der Exporteur von einer französischen Firma erworben hatte, stammte jedoch angeblich aus Belgien.
Spätere Ermittlungen der Zollfahndung ergaben jedoch Anhaltspunkte dafür, dass das Fleisch aus Großbritannien stammen könnte, was sich allerdings nicht nachweisen ließ. Gleichwohl forderte das HZA die als Vorschuss gewährte Ausfuhrerstattung zurück und setzte eine Sanktion fest.
Der BFH hat das wegen dieser Bescheide anhängige Revisionsverfahren ausgesetzt und den EuGH sinngemäß befragt, – erstens – ob der (nachträglich aufgekommene) Verdacht, dass Ware entgegen einem Verbringungsverbot ausgeführt worden ist, deren gesunde und handelsübliche Qualität ungeachtet der tatsächlichen Beschaffenheit und der Marktfähigkeit der Ware ausschließt; – zweitens – ob die in dem Zahlungsantrag abgegebene Versicherung der gesunden und handelsüblichen Qualität zu den Angaben gem. Art. 11 der Verordnung Nr. 3665/87 gehört, bei deren Unrichtigkeit eine Sanktion festzusetzen ist.
Entscheidung
Der EuGH hat aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen die erste Frage bejaht und die zweite verneint.
Hinweis
1. Die Ausfuhrerstattung ist eine Subvention, die bei der Ausfuhr bestimmter landwirtschaftlicher Produkte aus der Gemeinschaft u.a. zur Entlastung des Binnenmarkts von Überschussproduktion, aber auch zur Aufrechterhaltung des Handels mit Drittstaaten gewährt wird, weil ohne die Subventionierung wegen des hohen Preisniveaus in der Gemeinschaft ein Export bestimmter Produkte wirtschaftlich unmöglich wäre.
2. Die Gewährung von Ausfuhrerstattung setzt voraus, dass die betreffenden Produkte eine "gesunde und handelsübliche Qualität" haben (siehe heute Art. 21 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 800/1999); sonst muss der Binnenmarkt von ihnen nicht entlastet werden. Nach dem Wortlaut vorgenannter Vorschrift nicht ganz eindeutig ist, wer nachzuweisen hat, dass die Exportware gesunde und handelsübliche Qualität hat. Der EuGH hat aus systematischer Sicht allemal überzeugend dem Exporteur die Feststellungslast dafür auferlegt.
3. Die gesunde und handelsübliche Qualität einer Ware kann selbstredend nicht nur durch ihre Beschaffenheit (z.B. Verderb, Qualitätsmängel) beeinträchtigt sein, sondern auch durch rechtliche Umstände, etwa weil mit der Ware (z.B. aus Gründen der präventiven Seuchenabwehr) kein Handel getrieben werden darf. Ja sogar der bloße Verdacht der Marktteilnehmer, die Ware könnte möglicherweise Qualitätsmängel aufweisen oder der Handel mit ihr solchen rechtlichen Beschränkungen unterliegen, kann die gesunde und handelsübliche Qualität ausschließen.
4. Kann man aber die gesunde und handelsübliche Qualität einer Ware auch dann verneinen, wenn diese allem Anschein nach keine solchen Mängel aufweist und am Markt auch keinerlei Verdacht erregt, sich aber im Nachhinein für die Zollbehörde Anhaltspunkte dafür ergeben, der Markt könnte getäuscht worden sein (ohne dass dies freilich festgestellt werden kann)? Das FG hatte dies getan, der BFH daran – wohl nicht zu Unrecht – Zweifel, die er dem EuGH vorgetragen hatte.
5. Der EuGH hat freilich in einem Kunstgriff die Vorlagefragen des BFH umformuliert – wie er dies oftmals mit den Fragen der nationalen Gerichte mit der Behauptung tut, die Frage dadurch nur klarer oder knapper zu fassen. Er antwortet nämlich sinngemäß erstens, ein Exportverbot beseitige die gesunde und handelsübliche Qualität der davon betroffenen Ware – fast eine Trivialität, an der jedenfalls auch der BFH nicht gezweifelt hatte.
Spannender ist der zweite Teil der Antwort: Es wird vom Exporteur der Nachweis verlangt, dass das ausgeführte Erzeugnis nicht aus einem Mitgliedstaat (im Streitfall: dem von BSE befallenen Großbritannien) stammt, aus dem die Ausfuhr verboten ist! Das erschien aus außenwirtschaftsrechtlicher Sicht überraschend, weil gemeinhin die Verwaltung beweisen muss, dass etwas verboten ist (und nicht der Bürger, dass es erlaubt ist). Jedenfalls aber fragt man sich subventionsrechtlich besorgt, woher der EuGH die Erkenntnis nimmt, dass der Exporteur einen so...