Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Ein nur zum Übernachten genutztes Standby-Zimmer eines Piloten führt nicht zur Annahme eines Wohnsitzes in Deutschland.
Sachverhalt
Strittig war, ob der Kläger, ein schweizerischer Staatsbürger, einen Wohnsitz in Deutschland begründet hatte. Der Kläger, ein Pilot, mietete zusammen mit zwei anderen Piloten ein sogenanntes Standby-Zimmer in einem Kellergeschoß. Dieses suchte er bei dienstlichen Aufenthalten in Deutschland auf, da der Arbeitgeber eine Unterkunft in der Nähe des Einsatzortes forderte. Sein Hauptwohnsitz lag unstrittig in der Schweiz. In den Jahren 2003 bis 2006 wurde er von seinem Arbeitgeber als beschränkt Steuerpflichtiger behandelt. Im Rahmen einer Überprüfung kam das Finanzamt zu der Ansicht, der Kläger habe einen Wohnsitz in Deutschland gehabt und sei deshalb unbeschränkt steuerpflichtig. Es erließ entsprechende Nachforderungsbescheide, gegen die Einspruch eingelegt wurde. Der Kläger machte im Einspruchs- und dem sich anschließenden Klageverfahren - geltend, er habe keinen Wohnsitz in Deutschland gehabt, da es sich um eine reine Schlafgelegenheit gehandelt habe, die einem Hotelzimmer vergleichbar sei. Persönliche Gegenstände habe er dort nicht verwahrt, er habe lediglich drei Nächte im Schnitt pro Monat dort verbracht. Das Zimmer sei schon keine Wohnung, da es nicht dem Mindeststandard entsprochen habe. Weder eine Küche noch ein eigenes Bad sei dort vorhanden gewesen. Auch sei das Zimmer gelegentlich an andere Gäste als die drei Piloten vermietet worden. Das Finanzamt vertrat weiterhin die Auffassung, dass ein Wohnsitz gegeben sei.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht Hessen kam zu dem Schluss, dass hier der Kläger keinen Wohnsitz in Deutschland begründet habe. Zwar sei eine Wohnung im Sinne des § 8 AO gegeben, denn diese erfordere nur einen geringen Mindeststandard. Insbesondere sei nach h.M. keine Küche oder eine Kochgelegenheit für die Annahme einer Wohnung erforderlich. Der Kläger habe diese Wohnung aber wohl nicht stets innegehabt. Dies erfordere nämlich eine jederzeitige Nutzungsmöglichkeit. Ob eine solche gegeben gewesen sei, sei aber fraglich. Das Finanzamt habe dies nicht nachgewiesen. Zudem fehle es bei einem Standby-Zimmer auch daran, dass dieses eben nicht zum Wohnen genutzt werden, sondern eine reine Übernachtungsstelle sei. Wohnen erfordere aber mehr als das reine Übernachten.
Hinweis
Die Entscheidung ist als zutreffend anzusehen, da sie einer ausufernden Auslegung des Wohnsitzes entgegentritt. Hierbei ist zu beachten, dass an die Frage, wann eine Wohnung vorliegt, keine hohen Anforderungen zu stellen sind (s. Schwarz, AO, § 8 Tz. 5ff.). Eine Kochstelle ist nicht erforderlich. Im Entscheidungsfall nicht geklärt werden konnte, ob dem Kläger für die Wohnung stets eine Nutzungsmöglichkeit zugestanden habe. Gescheitert ist das Finanzamt aber letztlich daran, dass es bei einer reinen Übernachtungsmöglichkeit für wenige Nächte im Monat nicht von einem Wohnen, also der tatsächlichen Nutzung zu Wohnzwecken, fehlt. Dies ist sicherlich als zutreffend anzusehen. Verkannt werden darf aber nicht, dass der Übergang zwischen einer reinen Nutzung als zeitweilige Übernachtungsmöglichkeit und einem Wohnen fließend ist. Der Kläger hat insofern auch Glück gehabt, dass die Entscheidung so ausgefallen ist. Es wäre wohl auch eine andere Wertung möglich gewesen. Für die Praxis bedeutet dies in einschlägigen Fällen, dass bei der Frage, wie ein Wohnsitz im Inland vermieden werden kann, höchste Vorsicht geboten ist.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 50/12 anhängig.
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 12.04.2012, 3 K 1061/09