Leitsatz
1. Bei mündlich bekannt gegebenen Verwaltungsakten beginnt die einmonatige Einspruchsfrist auch ohne Rechtsbehelfsbelehrung zu laufen.
2. Im grenzüberschreitenden Reiseverkehr ist die mündliche Mitteilung des Abgabenbetrags eine i.S.d. Art. 221 Abs. 1 ZK geeignete Mitteilungsform.
3. § 29a ZollV findet in § 28 Abs. 1 ZollVG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage.
Normenkette
§ 157 Abs. 1 AO , § 355 Abs. 1 AO , § 356 Abs. 1 AO , Art. 6 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) , Art. 221 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) , § 28 Abs. 1 ZollVG , § 29a ZollV
Sachverhalt
Bei Rückkehr aus dem Urlaub in der Schweiz fragte der Zoll an der Grenze nach abgabenpflichtigen Waren. Da die Frage von dem Reisenden verneint wurde, führte der Zoll eine Fahrzeugkontrolle durch. Dabei fand er den Kassenbeleg eines Sportgeschäfts über 899 Franken, bei welchem der Reisende sich eine Skijacke gekauft hatte.
Flugs erhob das HZA für diese Skijacke Zoll und Einfuhrumsatzsteuer und teilte dies mündlich mit; außerdem übergab es einen sog. Abfertigungshinweis sowie einen vom Abfertigungsbeamten unterschriebenen und handschriftlich ausgefüllten Vordruck, in dem der sich aus dem Rechnungsbetrag und dem Umrechnungskurs ermittelte Zollwert der Jacke, die Codenummer des Zolltarifs und der Zollsatz aufgeführt waren.
Erst ein paar Wochen später wurde gegen die Erhebung der Einfuhrabgaben Einspruch eingelegt, den das HZA wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig verwarf.
Entscheidung
Der Einspruch ist unzulässig, weil die einmonatige Einspruchsfrist versäumt worden ist. Dass diese Frist nur bei entsprechender Belehrung läuft, gilt nur für in schriftlicher oder elektronischer Form ergangene Verwaltungsakte. Hier ist aber ein mündlicher Verwaltungsakt erlassen worden. Die Übergabe des sog. Abfertigungshinweises ändert daran nichts. Der vorgenannte Vordruck sollte nach den den BFH bindenden Feststellungen des FG den zuvor mündlich erlassenen Abgabenbescheid lediglich gem. § 119 Abs. 2 Satz 2 AO bestätigen.
Hinweis
1. Auch ein Steuerverwaltungsakt kann mündlich ergehen (vgl. § 157 Abs. 1 Satz 1 AO). Das geschieht zwar ganz selten, ist aber nicht von vornherein grundsätzlich ausgeschlossen. Für Einfuhrabgaben, die aufgrund von Zuwiderhandlungen im Reiseverkehr erhoben werden, ist dies in § 29a Abs. 2 ZollV ausdrücklich zugelassen; sie können dem Zollschuldner mündlich mitgeteilt werden. Wer bei der Rückkehr aus dem Urlaub (objektiv) zu Unrecht angibt, keine abgabenpflichtigen Waren mit sich zu führen, begeht eine Zuwiderhandlung im Reiseverkehr (§ 370 Abs. 1 und 2 AO).
2. Art. 221 ZK verlangt allerdings, dass der buchmäßig erfasste Abgabenbetrag (zu deutsch: der festgesetzte) dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen ist. Dafür kann indes auch eine mündliche Mitteilung geeignet sein, insbesondere bei einfach liegenden Sachverhalten. Bei dem EuGH ist ein Vorabentscheidungsverfahren Rs. C-201/04 anhängig, in dem geklärt werden wird, ob die Mitgliedstaaten festzulegen haben, auf welche Weise die in Art. 221 ZK vorgeschriebene Mitteilung des Abgabenbetrags zu erfolgen hat; die Möglichkeit einer mündlichen Mitteilung steht dabei aber nicht in Frage.
3. Die Einspruchsfrist beginnt bei einem mündlichen Abgabenbescheid auch ohne Rechtsbehelfsbelehrung. § 356 Abs. 1 AO gilt nur für in schriftlicher oder elektronischer Form ergangene Verwaltungsakte!
4. Im Besprechungsfall war zweifelhaft, ob ein mündlicher oder ein schriftlicher Verwaltungsakt erlassen worden ist. Denn der Zoll hatte seine mündlich eröffnete Abgabenforderung sogleich durch Übergabe eines entsprechenden Berechnungsbogens auf einem entsprechenden Vordruck untermauert. Ein schriftlicher Verwaltungsakt liegt indes nur vor, wenn die Behörde ihren auf die Regelung eines Einzelfalls gerichteten Willen erstmals durch ein Schriftstück zum Ausdruck bringt. Daran fehlte es wohl im Besprechungsfall, obgleich die Abgrenzung zur bloßen mündlichen Ankündigung eines schriftlichen Verwaltungsakts schwierig ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.2.2005, VII R 32/04