Leitsatz
1. Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die eine juristische Person des öffentlichen Rechts in eine Tochtergesellschaft eingelegt hat, sind bei dieser mit dem Teilwert und nicht mit den Anschaffungskosten anzusetzen.
2. Die infolge der Einlage aufgrund Anteilsvereinigung entstehenden GrESt erhöhen weder den Teilwert der eingelegten Anteile noch sind sie den bereits vorher gehaltenen (Alt-)Anteilen als nachträgliche Anschaffungs(neben)kosten zuzurechnen.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, Nr. 5 S. 1 Halbs. 1, Halbs. 2 Buchst. b EStG, § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter ein Bundesland ist. Sie war zu 95 % an einer AG beteiligt, die über Grundbesitz verfügte. Im Juli 1999 (Streitjahr) übertrug das Land die restlichen 5 % der Aktien an der AG unentgeltlich auf die Klägerin. Diese stellte die übertragenen Anteile mit dem Betrag von 19 Mio. DM in eine Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ein.
Da mit der Übertragung sämtliche Anteile der AG in der Hand der Klägerin lagen, war der Tatbestand einer Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. In ihrer Bilanz zum 31.12.1999 bildete die Klägerin deshalb eine Rückstellung für GrESt i.H.v. 3 Mio. DM. Das FA behandelte diese Rückstellung nicht als sofort abzugsfähigen Aufwand, sondern aktivierte den Rückstellungsbetrag als Nebenkosten zur Anschaffung der Beteiligung an der AG.
Die deswegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.07.2009, 6 K 2349/08, Haufe-Index 2406177).
Entscheidung
Anders verhielt es sich hingegen für die Klägerin vor dem BFH: Der BFH gab der Revision statt, weil die Anteile an der AG seitens des Landes in die Klägerin eingelegt und dadurch zugleich erstmals steuerverstrickt worden seien. Dessentwegen müssten die Anteile dann aber mit ihren Teilwerten bewertet werden und nicht mit ihren Anschaffungskosten. Die durch die Anteilsvereinigung ausgelöste GrESt gehöre insoweit nicht zu (Folge-)Kosten, welche den Teilwert beeinflussen könnten.
Hinweis
1. Durch Urteil vom 20.04.2011, I R 2/10 (BFH/NV 2011, 1419, BFH/PR 2011, 335) hat der BFH erst soeben entschieden, dass die infolge einer Sacheinlage von Gesellschaftsanteilen aufgrund Anteilsvereinigung ausgelösten GrESt von der aufnehmenden Gesellschaft nicht als Anschaffungs(neben)kosten der eingebrachten Anteile zu aktivieren sind.
Das war und ist die eigentliche Grundsatzfrage und die darauf gegebene Grundsatzantwort.
2. Zeitlich bereits vor jener Entscheidung – die aufgrund mündlicher Verhandlung erging – ist allerdings ein Gerichtsbescheid an die Verfahrensbeteiligten in der hier in Rede stehenden Revision I R 40/10 ergangen, dem "eigentlich" dieselbe Frage zugrunde lag, die aber systematisch anders "aufgehängt" war – und die exakt deswegen in jenem Verfahren unbeantwortet bleiben konnte. Dieser Gerichtsbescheid ist zwischenzeitlich in Urteilskraft erwachsen und amtlich "freigegeben" worden. Das ist das hier zu präsentierende BFH-Urteil:
3. Der abweichende systematische "Aufhänger" resultiert aus der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Halbs. 1 EStG. Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die in ein Betriebsvermögen eingelegt worden sind, werden regelmäßig mit ihren Teilwerten und nicht mit den Anschaffungskosten bewertet.
§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Halbs. 2 Buchst. b EStG ordnet zwar eine Ausnahme von diesem Wertansatz an, wenn der Steuerpflichtige an der Gesellschaft i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG beteiligt ist. Dann sind die Anteile höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Halbs. 2 Buchst. b EStG ist jedoch einschränkend dahin auszulegen, dass er keine Anwendung findet, wenn die betreffenden Anteile aus einem nicht steuerpflichtigen Bereich in ein Betriebsvermögen überführt und dadurch erstmals steuerverhaftet werden.
Und so gesehen verbleibt es bei dem Teilwertansatz, auch wenn der Teilwert grundsätzlich die Aufwendungen umfasst, die ein Erwerber im Rahmen einer Anschaffung oder Wiederbeschaffung des Wirtschaftsguts als Nebenkosten an Dritte zu zahlen hat, bei einem Grundstück also auch die GrESt.
Denn nicht der Erwerb der jeweiligen Aktien als solcher löst die GrESt-Pflicht aus. Anknüpfungspunkt für die GrESt ist im Fall der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vielmehr die Zuordnung aller Geschäftsanteile in einer Hand, mit der das Gesetz einen grundstücksbezogenen Erwerbsvorgang fingiert. GrESt-pflichtig wird der Aktienerwerb deshalb nur, wenn der Erwerber mindestens 95 % der Aktien (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 23 Abs. 6 S. 2 GrEStG) entweder bereits hält (§ 1 Abs. 3 Nrn. 1, 2 GrEStG) oder zeitgleich erwirbt (§ 1 Abs. 3 Nrn. 3, 4 GrEStG). Es handelt sich somit bei den GrESt nicht um regelmäßige, sondern nur in bestimmten Ausnahmefällen an den Aktienerwerb geknüpfte Folgekosten, die deshalb im Rahmen der Bemessung des Teilwerts der eingelegten Aktien nicht zu berücksichtigen sind.
Die aufgrund der Anteilsvereinigung anfallenden GrESt sind auc...