Leitsatz
Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Steuersatzes, aus dem sich der auf einen Veräußerungsgewinn anzuwendende ermäßigte Steuersatz gem. § 34 Abs. 1 EStG 1997 errechnet, bleibt die Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte (§ 32c EStG 1997) unberücksichtigt.
Normenkette
§ 34 EStG , § 32c EStG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte aus der Veräußerung einer KG-Beteiligung einen Veräußerungsgewinn. Außerdem hatte er laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit. Das FA ermittelte den ermäßigten (halben) Steuersatz für den Veräußerungsgewinn folgendermaßen:
Zu versteuerndes Einkommen ... DM
tarifliche Einkommensteuer darauf ... DM
Steuersatz 52,9674 %
halber Steuersatz 26,4837 %
Von der Summe aus der Steuer auf den Veräußerungsgewinn und der auf das übrige zu versteuernde Einkommen entfallenden Steuer zog es den Entlastungsbetrag nach § 32c EStG ab.
Der Kläger beantragte folgende Ermittlung des ermäßigten Steuersatzes:
Zu versteuerndes Einkommen ... DM
tarifliche Einkommensteuer darauf ... DM
abzügl. Entlastungsbetrag § 32c ... DM
Steuersatz 50,8859 %
halber Steuersatz 25,4430 %
Der Kläger wollte somit den Entlastungsbetrag bereits in die Berechnung der tariflichen Einkommensteuer einbeziehen und aus der sich danach ergebenden niedrigeren tariflichen Einkommensteuer den durchschnittlichen Steuersatz und den ermäßigten halben Steuersatz berechnen. Das FG wies die Klage ab (EFG 2003, 1103).
Entscheidung
Der BFH gab dem FA Recht. Aus dem Wortlaut der Bestimmungen in § 32a Abs. 1 Satz 2, § 32c Abs. 1 und § 2 Abs. 6 EStG folgt, dass erst nach der Ermittlung des ermäßigten Steuersatzes der Entlastungsbetrag nach § 32c EStG abgezogen werden darf. Dass der Gesetzgeber § 32c EStG in den Teil IV ("Tarif") des EStG eingefügt hatte, steht dem nicht entgegen.
Hinweis
1. Wie die tarifliche Einkommensteuer zu berechnen ist, regelt § 32a Abs. 1 EStG. In den in dieser Vorschrift genannten sog. Tarifvorbehalten (§§ 32b, 34, 34b, 34c EStG) ist § 32c EStG nicht erwähnt. Das spricht dafür, dass der in § 32c EStG geregelte Entlastungsbetrag erst nach der Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer zu berücksichtigen ist.
§ 32c EStG selbst bestimmt in Abs. 1, dass "von der tariflichen Einkommensteuer ein Entlastungsbetrag nach Abs. 4 abzuziehen" ist. Nach § 2 Abs. 6 EStG ergibt "die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um den Entlastungsbetrag nach § 32c ..." die festzusetzende Einkommensteuer. Beide Vorschriften setzen somit die tarifliche Einkommensteuer als feststehende Rechengröße voraus, von der der Entlastungsbetrag abzuziehen ist.
2. Der Kläger hatte argumentiert, § 32c EStG sei eine Tarifvorschrift, weil der Gesetzgeber sie in den mit "Tarif" überschriebenen Teil IV des EStG eingefügt habe. Aus der Qualifizierung als Tarifvorschrift folge aber, dass der Abzugsbetrag bereits bei der Ermittlung des durchschnittlichen Steuersatzes im Rahmen des § 34 EStG zu berücksichtigen sei. Dieser Argumentation hat sich der BFH im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 32c EStG nicht angeschlossen. Der Gesetzgeber wollte eine steuerliche Benachteiligung von Einzelgewerbetreibenden und Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften ausgleichen und hat dabei mit der Einführung einer (gesonderten) Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte auf 47 % "steuerpolitisches Neuland" betreten. § 32c EStG mag "inhaltlich" eine Tarifvorschrift sein, "technisch" ist sie jedoch als Steuerermäßigungsvorschrift ausgestaltet und soll auch so wirken. Es sollte lediglich die Sonderbelastung gewerblicher Einkünfte durch Gewerbesteuer ausgeglichen, nicht aber die allgemeine tarifliche Einkommensteuer gemindert werden.
3. Der BFH hatte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG (vgl. BFH, Beschluss vom 24.2.1999, X R 171/96, BStBl I 1999, 450). Im Besprechungsfall war diese Frage wegen des Verböserungsverbots (das FA hatte § 32c EStG angewendet) aber nicht entscheidungserheblich. Die Vorschrift ist inzwischen aufgehoben worden und war letztmals für den Veranlagungszeitraum 2000 anzuwenden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.1.2004, XI R 15/03