Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Die Dreimonatsfrist für den Abzug der Verpflegungspauschalen (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 5 EStG) findet bei einer Fahrtätigkeit keine Anwendung (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 5, § 9 Abs. 5 EStG
Sachverhalt
K war als Seemann auf dem zur Hochseefischerei eingesetzten Motorschiff "Y" tätig und fuhr an 184 Tagen zur See. Das FA berücksichtigte die von K geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen (4 248 EUR, 170 x 24 EUR; 14 x 12 EUR) nicht als Werbungskosten.
Seeleute könnten – so das FA – nur für die ersten drei Monate an Bord eines Schiffes Verpflegungsmehraufwand zum Abzug bringen. Die jeweilige Auswärtstätigkeit ende erst bei Rückkehr in den Heimathafen des Schiffes. Erst wenn das Schiff neu auslaufe, beginne der Dreimonatszeitraum neu. Die "Y" habe ihren Heimathafen Z im Streitjahr aber nicht angelaufen. Die Klage dagegen war erfolgreich (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.05.2010, 3 K 393/09, Haufe-Index 2600193).
Entscheidung
Der BFH bestätigt im Ergebnis die Vorinstanz, allerdings mit neuer, die Rechtsprechung ändernder Begründung, wie unter Praxis-Hinweise dargestellt.
Hinweis
Der BFH ändert mit dem Besprechungsfall ausdrücklich seine Rechtsprechung zur Dreimonatsfrist bei Verpflegungsmehraufwendungen (BFH, Urteil vom 19.12.2005, VI R 30/05, BFH/NV 2006, 872, BFH/PR 2006, 185). Bemerkenswert ist, dass er im Ergebnis auf die frühere und für den Steuerpflichtigen günstigere Linie der Finanzverwaltung zurückkehrt, wonach die Dreimonatsfrist bei einer Fahrtätigkeit nicht gelten sollte.
1. Verpflegungsmehraufwand ist grundsätzlich kein Erwerbsaufwand (Betriebsausgabe, Werbungskosten § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5, § 9 Abs. 5 EStG). Befindet sich der Steuerpflichtige allerdings auf Auswärtstätigkeit (von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich/beruflich tätig oder nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug), kann er zeitlich gestaffelte Pauschbeträge des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG absetzen. Die Abzugsfähigkeit des Verpflegungsmehraufwands beruht auf dem Grundgedanken, dass der Steuerpflichtige, der in neuer, nicht gewohnter Umgebung beruflich tätig wird, typischerweise einen beruflich veranlassten erhöhten Aufwand für Verpflegung tat, weil er sich eben nicht in der für ihn gewohnten Umgebung preisgünstig durch Kantinenessen etc. verpflegen kann. Diesen Grundgedanken führt § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 5 EStG insoweit fort, als bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte der Abzug auf die ersten drei Monate begrenzt ist. Nach drei Monaten, so wird offensichtlich vermutet, ist der Steuerpflichtige mit der neuen Umgebung vertraut und hat daher keinen erhöhten Verpflegungsbedarf mehr.
2. Der BFH stellt nun klar, dass die Begrenzung durch die Dreimonatsfrist nur für Tätigkeitsstätten an einer ortsfesten Einrichtung gilt. Die Tätigkeit auf einem Schiff beurteilt der BFH als eine solche, die nicht an einer ortsfesten Einrichtung stattfindet. Die Tätigkeit auf einem Schiff ist vielmehr eine Fahrtätigkeit, die grundsätzlich zeitlich unbegrenzt zum Abzug erwerbsbedingten Verpflegungsmehraufwands berechtigt. Das Schiff ist keine ortsfeste Tätigkeitsstätte, sondern Fahrzeug. Diese Unterscheidung ist im Gesetz selbst angelegt (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 3 EStG), die Fahrtätigkeit hat insoweit eine gewisse Sonderstellung unter den Auswärtstätigkeiten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.02.2011 – VI R 66/10