Leitsatz
1. Der von Todes wegen erfolgte Erwerb eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten ist nicht von der Erbschaftsteuer befreit.
2. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG setzt voraus, dass der verstorbene Ehegatte zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt.
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG 2009, § 873, § 925 BGB
Sachverhalt
Die Erblasserin – Ehefrau des Klägers – kaufte in 2007 eine Eigentumswohnung. Die Parteien erklärten die Auflassung und 2008 wurde zugunsten der Erblasserin eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Ende 2008 zogen der Kläger, die Erblasserin und die gemeinsamen Töchter in die Wohnung ein. Mit Testament bestimmte die Erblasserin, dass der Kläger die Eigentumswohnung alleine erhalten sollte. Die Erblasserin verstarb im Juli 2009 und wurde vom Kläger und den Töchtern beerbt. Ende 2009 vereinbarten der Kläger und seine Töchter, dass er – der Kläger – in Erfüllung eines Vermächtnisses das Alleineigentum an der Eigentumswohnung erhalte. Anfang 2010 wurde der Kläger als Eigentümer der Wohnung im Grundbuch eingetragen.
Das FA gewährte die beantragte Steuerbefreiung wegen Erwerbs eines Familienheims nicht. Die Vorinstanz (FG München, Urteil vom 6.4.2016, 4 K 1868/15, Haufe-Index 9471808, EFG 2016, 1015) wies die Klage ab mit der Begründung, dass die Steuerbefreiung den Erwerb von Volleigentum voraussetze.
Entscheidung
Auch die Revision ist zurückgewiesen worden. Nach Auffassung des BFH ist die Vorinstanz aus den genannten Gründen zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG nicht vorlagen.
Im Übrigen ist der Anspruch auf Verschaffung von Eigentum an einem Familienheim nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten.
Hinweis
1. Im Besprechungsfall geht es um die Steuerfreiheit des Erwerbs eines Familienheims nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG. Danach ist u.a. steuerfrei der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem im Inland (oder EU/EWR) belegenen bebauten Grundstück durch den überlebenden Ehegatten, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim).
2. Das Problem des Falles liegt darin, dass die Erblasserin – die Ehefrau des Klägers – im Zeitpunkt ihres Todes nicht über das Eigentum am "Familienheim" verfügte. Die Erblasserin hatte das Objekt gekauft und die Familie war in die Wohnung eingezogen. Allein der Kaufpreis war im Zeitpunkt des Versterbens der Erblasserin noch nicht vollständig gezahlt worden, sodass der Erblasserin aufgrund der getroffenen Vereinbarungen (Auflassung und Auflassungsvormerkung) zwar ein Anwartschaftsrecht, nicht aber das Volleigentum zustand. Damit stellte sich die Frage, ob das Anwartschaftsrecht an dem Familienheim hinreichend ist, um die Steuerbefreiung zu gewähren.
3. Der Senat hat sich gegen eine Privilegierung des Anwartschaftsrechts entschieden und dies im Wesentlichen wie folgt begründet.
Schon der Wortlaut der Vorschrift setzt ausdrücklich den Erwerb von Eigentum (oder Miteigentum) an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Der Begriff ist im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Auch entspricht es dem Zweck der Befreiungsvorschrift (als Ausnahmeregelung), ihre Anwendung durch eine klare Beschränkung auf den Erwerb von Eigentum zu begrenzen und alle anderen Erwerbe auszunehmen.
Eine erweiternde Auslegung scheidet mangels Regelungslücke aus. Dies gilt auch im Hinblick auf die steuerbefreite Schenkung unter Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Diese Befreiung ist zwar weiter gefasst, weil das Gesetz auch die Freistellung des anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung) des Familienheims privilegiert. Gleichwohl sind die Vorschriften nicht vergleichbar, weil jeweils unterschiedliche Zielrichtungen verfolgt werden. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG wurde als Reaktion auf die geänderte Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 2.3.1994, II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366) in das Gesetz eingefügt, wonach auch ehebedingte unbenannte Zuwendungen steuerpflichtig sein sollten. Der Gesetzgeber wollte die lebzeitige Zuwendung des Familienwohnheims aus der Besteuerung möglichst umfassend wieder ausnehmen.
4. Das gefundene Ergebnis wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass in der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 2.2.2005, II R 26/02, BFH/NV 2005, 786, BFHE 208, 438, BStBl II 2005, 312) der Zeitpunkt der Ausführung einer Schenkung vor den Zeitpunkt der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) gezogen wird, wenn der Schenker z...