Leitsatz
1. Das Gemeinschaftsrecht überlässt den Mitgliedstaaten die Entscheidung, ob und ggf. wie Über- und Unterlieferungen einzelner Milcherzeuger im Rahmen der Milchgarantiemengenregelung miteinander verrechnet werden können.
2. Nach der MGV sind für die Berechnung der Saldierungsschlüssel grundsätzlich die Informationen über Referenzmengen und Anlieferungsdaten maßgeblich, die sich aus den Käufermeldungen zum 15.5. ergeben; spätere Erkenntnisse bleiben unberücksichtigt.
Normenkette
§ 7b Abs. 1, § 7b Abs. 2, § 11 Abs. 3 MGV, Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 3950/92, Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 536/93 Art. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 1788/2003, Art. 10 EG, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 2 MOG
Sachverhalt
Ein ostdeutscher Milcherzeuger hatte im Wirtschaftsjahr 1998/1999 seine Anlieferungs-Referenzmenge überliefert und gehofft, wegen der bevorstehenden Saldierung überlieferter mit nicht belieferten Referenzmengen trotzdem keine Abgabe zahlen zu müssen.
Nach der dreistufigen Saldierung gem. § 7b der damaligen MGV verblieb jedoch eine abgabenpflichtige Überlieferung, für die bei ihm eine Abgabe erhoben wurde.
Dagegen machte der Milcherzeuger geltend, es sei inzwischen festgestellt worden, dass Milcherzeuger aus Hessen unter der Kannennummer ostdeutscher Milcherzeuger an eine ostdeutsche Molkerei Milch geliefert haben und sich dadurch der – getrennt für Ostdeutschland zu berechnende – Saldierungsschüssel zum Nachteil der ostdeutschen Erzeuger verringert habe.
Das habe durch eine nachträgliche entsprechende Saldierung berücksichtigt werden müssen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision gegen das Urteil des FG, das die Klage des Milcherzeugers abgewiesen hatte, nicht zugelassen.
Es sei eindeutig und daher nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig, dass bei der Saldierung nur die zu einem in der Verordnung festgelegten Stichtag gemeldeten Milchmengen berücksichtigt werden, also nachträglich festgestellte Manipulationen unberücksichtigt bleiben müssen.
Hinweis
Die Saldierung überlieferter gegen nicht belieferte Milchmengen erfolgte – wie im Streitfall – früher auf drei Stufen: Zunächst auf der Ebene der Molkerei, dann auf der Ebene der neuen Bundesländer und erst zuletzt auf Bundesebene.
Das hat logischerweise zur Folge, dass es sich zulasten der überliefernden Erzeuger der jeweiligen Ebene auswirkt, wenn Milchmengen unerkannt von einer Molkerei zu einer anderen oder z.B. wie im Streitfall vom alten Bundesgebiet in die neuen Länder "verschoben" werden, also dort gebucht werden, obwohl sie im alten Bundesgebiet erzeugt worden sind und dort als Überlieferung hätten erfasst werden müssen (statt im Beitrittsgebiet eine in Wahrheit ungenutzte Referenzmenge auszuschöpfen und dadurch die Menge der für die Saldierung zugunsten der Erzeuger im Beitrittsgebiet zur Verfügung stehenden Unterlieferung-Menge zu vermindern).
Was aber geschieht, wenn solche Verschiebungen aufgedeckt werden, nachdem die Saldierung bereits durchgeführt und die Abgabenberechnung und Festsetzung für die einzelnen Erzeuger auf der Grundlage dieser Saldierung bereits abgeschlossen worden ist?
Die in einem solchen Fall theoretisch bestehende Möglichkeit, den Saldierungsschlüssel und dementsprechend alle von ihm betroffenen Abgabenbescheide nachträglich zu ändern, hat der BFH in der Besprechungsentscheidung verworfen: Das wäre nicht nur ein Riesenaufwand mit i.d.R. geringer Wirkung für die Erzeuger, sondern für die Molkereien und die Verwaltung kaum zu bewältigen und überdies und vor allem ist es von der MGV nun einmal nicht vorgesehen.
Aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts bzw. höherrangigen Rechts lässt sich dieses Gebot einer einmaligen Saldierung zu einem Stichtag schon damit rechtfertigen, dass der Erzeuger an sich überhaupt keinen Rechtsanspruch auf eine Saldierung hat und auch das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten überlässt, ob und wie sie saldieren wollen.
Eine andere, vom BFH noch nicht entschiedene Frage ist, wie bei einer fehlerhaften Verarbeitung der am Saldierungsstichtag tatsächlich vorliegenden Daten zu verfahren wäre!
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 31.05.2006, VII B 48/05