Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Ist an einer Personengesellschaft (Untergesellschaft) eine andere Personengesellschaft (Obergesellschaft) beteiligt, dann entfaltet die Untergesellschaft nur dann eine freiberufliche Tätigkeit, wenn neben den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern auch sämtliche mittelbar beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaft die Merkmale eines freien Berufs erfüllen.
2. Eine sogenannte interprofessionelle Freiberufler-Personengesellschaft zwischen einem Diplom-Kaufmann und Ingenieuren ist nur dann anzuerkennen, wenn auch der Kaufmann-Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs in eigener Person erfüllt. Der Kaufmann-Gesellschafter ist aber weder als beratender Betriebswirt noch sonst freiberuflich tätig, wenn er lediglich kaufmännische Leitungs- und sonstige Managementaufgaben innerhalb des Unternehmens, an dem er beteiligt ist, wahrnimmt und die Ingenieur-Gesellschafter insoweit von diesen Aufgaben entlastet.
3. Gilt wegen der Beteiligung eines Berufsfremden an einer im Übrigen aus Freiberuflern bestehenden Personengesellschaft diese Gesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewerbebetrieb, ist der relativ geringe Beteiligungsumfang des Berufsfremden (hier: 3,35 %) kein Grund, von dieser Rechtsfolge im Weg einschränkender Auslegung abzusehen.
Normenkette
§ 18 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 4, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2, § 15 Abs. 2 S. 1, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG
Sachverhalt
An einer Ingenieur-GbR war als Obergesellschaft eine Partnerschaftsgesellschaft beteiligt. Diese bestand im Wesentlichen ebenfalls aus Ingenieuren. Ein Gesellschafter war jedoch Diplom-Kaufmann. Er nahm die kaufmännische Betreuung des gesamten Konzerns wahr. FA und FG (FG Nürnberg, Urteil vom 22.02.2006, V 279/2004) hielten die GbR für gewerbesteuerpflichtig.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Die GbR sei insgesamt gewerblich tätig gewesen, weil der mittelbar beteiligte Diplom-Kaufmann berufsfremd gewesen sei. Er sei weder Ingenieur noch beratender Betriebswirt i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Hinweis
Für die Anforderungen an eine freiberufliche Tätigkeit, insbesondere wenn sich Freiberufler zu einer Personengesellschaft zusammenschließen, hat die überkommene Rechtsprechung des BFH stets strenge Maßstäbe aufgestellt. Dies wirkt sich besonders nachteilig aus, wenn es sich – wie hier – um eine doppelstöckige GbR handelt. Im Einzelnen:
1. Jeder Gesellschafter muss die Hauptmerkmale des freien Berufs in eigener Person erfüllen. Er muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich auch entfalten. Beim Einsatz von fachlich vorgebildeten Arbeitskräften muss er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sein.
2. Teamarbeit in einer Freiberufler-GbR ist grundsätzlich nicht schädlich. Erforderlich ist jedoch, dass sich jeder Gesellschafter kraft seiner persönlichen Berufsqualifikation daran beteiligt. Die Gesellschafter müssen an den erteilten Aufträgen mindestens so mitwirken, dass die Berufsträger die mit einem Auftrag verbundenen Aufgaben untereinander aufteilen und jeder den ihm zugewiesenen Aufgabenbereich eigenverantwortlich leitet.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn ein Gesellschafter lediglich Kapital zur Verfügung stellt, wenn er lediglich Aufträge beschafft, wenn er Leistungen erbringt, zu denen ihm die persönliche Qualifikation fehlt, oder wenn er von vornherein nicht freiberufliche Leistungen erbringt.
3. Nach diesen Maßstäben erfüllt eine doppelstöckige Freiberufler-Personengesellschaft nur dann die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit, wenn alle Gesellschafter der Untergesellschaft und auch alle mittelbar beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaft die Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen.
4. Unschädlich ist die mittelbarer Beteiligung eines berufsfremden Gesellschafters allerdings dann, wenn entweder die Obergesellschaft nicht Mitunternehmerin der Untergesellschaft oder der Berufsfremde nicht Mitunternehmer der Obergesellschaft ist.
5. Besteht die Untergesellschaft aus Ingenieuren und ist ein Gesellschafter der Obergesellschaft ein Diplom-Kaufmann, der die kaufmännischen Aufgaben des gesamten Konzerns wahrnimmt, so ist dieser Gesellschafter "berufsfremd"; denn er ist weder Ingenieur noch ist er ein beratender Betriebswirt i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, weil er nicht gegenüber Fremden beratend tätig wird, sondern den eigenen Konzern kaufmännisch betreut.
6. Im Ergebnis führt dies zur GewSt-Pflicht der gesamten Personengesellschaft, auch wenn der "berufsfremde" Gesellschafter nur relativ geringfügig (hier: 3,35 %) beteiligt war.
7. Als Fazit lässt sich festhalten, dass eine Freiberufler-GbR mit zunehmender Größe und zunehmender arbeitsteiliger Organisation mit einem immer höheren gewerbesteuerrechtlichen Risiko behaftet ist. Jedenfalls sollten bei der internen Organisation der Arbeitsabläufe die vorstehend aufgezeigten Maßstäbe im Au...