Leitsatz
1. Das Gemeinschaftsrecht verlangt von einem Ausführer keine Nachprüfung des ihm ausgezahlten Erstattungsbetrags. Dem Ausführer kann daher keine Unregelmäßigkeit angelastet werden, wenn er einen von der Behörde versehentlich zu hoch festgesetzten Erstattungsbetrag nicht beanstandet.
2. Der Zessionar haftet für zu Unrecht ausgezahlte Ausfuhrerstattungsbeträge nur dann, wenn sie ihm, nicht aber, wenn sie dem Zedenten ausgezahlt worden sind. Dabei kommt es jedoch nicht auf den Zahlungsweg, sondern darauf an, wer Leistungsempfänger ist.
Normenkette
Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87, Art. 1 Abs. 2, Art. 3 VO Nr. 2988/95
Sachverhalt
Ein Exporteur hatte 1995 31 Rinder zur Ausfuhr angemeldet und hierfür (differenzierte) Ausfuhrerstattung erhalten. Später zeigte er dem HZA an, dass eines der Tiere auf dem Transport verendet sei, und stellte demgemäß einen Zahlungsantrag für nur 30 Rinder. Dies ist jedoch vom HZA übersehen und auch für das verendete Tier Ausfuhrerstattung gezahlt worden.
Als das HZA 1999 seinen Irrtum bemerkte, hat es den betreffenden Erstattungsbetrag zurückgefordert, was zunächst aus formalen Gründen missglückte. Erst 2004 erging ein wirksamer (Haftungs-)Bescheid gegen die Bank des Exporteurs, welcher dessen Erstattungsansprüche zur Sicherheit abgetreten worden waren; dementsprechend war die Erstattungszahlung auf ein bei dieser Bank für den Exporteur geführtes Konto gegangen.
Entscheidung
Der BFH hat die Sache an das FG (FG Hamburg, Urteil vom 10.08.2005, IV 181/04, Haufe-Index 1441517) zurückverwiesen, weil anhand der Sicherungsabrede geklärt werden muss, ob eine Zahlung an die Bank (Klägerin) oder nicht vielmehr an deren Kunden, den Exporteur, vorliegt, was sich nicht aus dem Zahlungsweg (Überweisung auf ein bei der Klägerin geführtes Konto) entnehmen lässt.
Hinweis
1. Der EuGH hat entschieden, dass die Verjährungsregelung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95, die eine vom Exporteur zu verantwortende "Unregelmäßigkeit" voraussetzt, nicht auf Fälle angewandt werden kann, in denen keine Unregelmäßigkeit des Exporteurs vorliegt (EuGH, Urteil vom 15.01.2009, C-281/07, BFH/NV 2009, 522). Das ist mehr als überzeugend, wenn es auch zu der eigenartigen (von der Rechtsprechung des EuGH zur Anwendbarkeit der VO Nr. 2988/95 auf die Rückforderung von Ausfuhrerstattung selbst herbeigeführten) Folge geführt hat, dass bis zum Inkrafttreten einer Verjährungsregelung für den rechtschaffenen Ausführer in der VO Nr. 3665/87 der Schuldbehaftete verjährungsrechtlich privilegiert war!
2. Ist es eine Unregelmäßigkeit, wenn ein Exporteur einen ihm gezahlten Erstattungsbetrag nicht zurückweist, welchen er nicht beantragt hat und bei dem er auch nicht erkannt hat und nicht ohne Weiteres erkennen musste, dass er ihm nicht zusteht? Die Generalanwältin beim EuGH hat solcherlei offenbar dem BFH nahelegen wollen und die Beteiligten des Streitverfahrens haben sich begierig daraufgestürzt. Aber der BFH hat darin (wie die Europäische Kommission) eine Überspannung der Sorgfaltsanforderungen an den Exporteur gesehen, ja schlimmer noch, gefragt, was eigentlich die rechtliche Grundlage dieser merkwürdigen Auffassung sein soll. Der BFH hat sie nicht gefunden!
3. Eine gemeinschaftsrechtliche Verjährungsfrist gab es daher im Streitfall nicht, weder eine verbindliche noch auch nur eine Mindestfrist, wie sie sonst die VO Nr. 2988/95 festlegt. Was gilt dann? Wenn man nicht Unverjährbarkeit des Rückforderungsanspruchs des HZA annehmen will (was so ganz abwegig wohl nicht wäre), bleibt nur eine Lückenfüllung mithilfe des BGB, hier des § 195 BGB a.F. (allgemeine dreißigjährige Verjährungsfrist). Dass diese anzuwenden ist, hat der BFH in dem Urteil vom 07.07.2009, VII R 24/06 (BFH/NV 2009, 1920, BFH/PR 2009, 490) entschieden.
4. Im Streitfall ergab sich noch die Besonderheit, dass die zurückgeforderte Erstattung auf ein Konto der Bank überwiesen worden war, welcher der Exporteur seinen Erstattungsanspruch zur Sicherheit abgetreten hatte (Globalzession). Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 6 VO Nr. 3665/87 a.F. lässt den Exporteur und Zessionar als Gesamtschuldner für die Rückzahlung unrechtmäßig gezahlter Ausfuhrerstattung haften, aber nur, wenn die Erstattung dem Zessionar "gezahlt" worden ist. Dabei kommt es nicht entscheidend auf den reinen unmittelbaren Zahlungsweg an (vgl. schon BFH, Urteil vom 27.10.1992, VII R 46/92, Haufe-Index 64437, BFHE 169, 570 und Beschluss vom 20.07.2004, VII B 310/03 [NV], BFH/NV 2005, 87), also darauf, ob das HZA die Ausfuhrerstattung auf ein unter dem Namen des Exporteurs geführtes Bankkonto überwiesen hat, sondern auf den "Leistungsempfänger". Das kann bei einer zur Sicherheit abgetretene Forderung der Zedent sein (BFH, Urteil 05.06.2007, VII R 17/06, BFH/NV 2007, 1945, BFH/PR 2007, 473).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.07.2009 – VII R 50/06