Leitsatz
1. Die Bindungswirkung der Regelungen eines Feststellungsbescheids wird durch den Feststellungsbereich begrenzt. Dies gilt gleichermaßen für die rechtlichen Erwägungen, die als sog. vorgreifliche Umstände den Regelungen (Verfügungssätzen) des Feststellungsbescheids zugrunde liegen.
2. Die wirtschaftliche Inhaberschaft wird dem an einem Kapitalgesellschaftsanteil Unterbeteiligten nur dann vermittelt, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.
3. Zur Gewinnneutralität bei Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen nach den Grundsätzen des sog. Tauschgutachtens.
Normenkette
§§ 179, 180 182 AO, §§ 17, 20 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte seiner Ehefrau und seinen vier minderjährigen Kindern Unterbeteiligungen an seiner hälftigen, im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Beteiligung eingeräumt, die er im Streitjahr 1984 in eine von ihm als Alleingesellschafter gegründete GmbH einbrachte.
Das FA erfasste einen Einbringungsgewinn von 13,9 Mio. DM nach § 17 EStG, weil die Kinder aufgrund vertraglicher Beschränkungen lediglich typisch still unterbeteiligt seien.
Das FG gab der gegen den Einkommensteuerbescheid erhobenen Klage statt, weil der für die Unterbeteiligungsgesellschaft ergangene Feststellungsbescheid verbindlich auch die wirtschaftliche Inhaberschaft der Unterbeteiligten an der GmbH-Beteiligung festgestellt habe und der Hauptbeteiligte somit nicht (mehr) wesentlich beteiligt war.
Entscheidung
Der BFH verneinte eine Bindungswirkung des Feststellungsbescheids, konnte indes mangels ausreichender Feststellungen zur Unterbeteiligung nicht durchentscheiden. Er ließ offen, ob die Grundsätze des sog. Tauschgutachtens des BFH vom 16.12.1958, I D 1/57 S, BStBl III 1959, 30, überhaupt auf Anteilsrechte im Privatvermögen anwendbar seien. Eine gewinnneutrale Behandlung setze nämlich voraus, dass der aufnehmende Rechtsträger die Anschaffungskosten der eingebrachten Anteilsrechte übernehme. Im Streitfall war die Einbringung zu Zeitwerten erfolgt.
Ferner werde Unterbeteiligten die wirtschaftliche (Mit-)Inhaberschaft an dem Kapitalanteil nur vermittelt, wenn sie nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben und durchsetzen könnten (BFH, Urteil vom 17.2.2004, VIII R 26/01, BFH-PR 2004, 309; BFH, Urteil vom 18.5.2005, VIII R 34/01, BFH-PR 2005, 438).
Hinweis
1. Nach der Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 9.5.2000, VIII R 41/99, BStBl II 2000, 686) werden Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung auf der Grundlage der sog. Bruchteilsbetrachtung besteuert. Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft werden deshalb den Gesellschaftern nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zugerechnet, auch wenn der Anteil zum Gesamthandsvermögen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gehört. Es ist unerheblich, ob die Gesellschaft den Anteil veräußert oder der Gesellschafter seinen Gesamthandsanteil.
Fehlt es an der einheitlichen Verwirklichung des Einkünftetatbestands oder der einheitlichen Zurechnung der wesentlichen Beteiligung, so kann der Veräußerungsgewinn nicht Gegenstand einer gesonderten und einheitlichen Feststellung sein, ebenso wenig einer besonderen Feststellung nach § 179 Abs. 2 Satz 3 AO (BFH, Urteil vom 9.5.2000, VIII R 40/99, BFH/NV 2001, 17). Ein Veräußerungsgewinn ist (erst) bei der ESt-Veranlagung des Gesellschafters zu erfassen.
2. Ausnahmen vom Grundsatz der Einheit des Steuerfestsetzungsverfahrens bedürfen nach dem Vorbehalt des Gesetzes zwingend einer gesetzlichen Grundlage, damit in einem mehrstufigen Verwaltungsverfahren ergehende VA Bindungswirkung für andere VA erzeugen (BFH, Beschluss vom 11.4.2005, GrS 2/02, BFH-PR 2005, 343, zur sog. Zebragesellschaft).
3. Allerdings binden rechtswidrige bestandskräftige Feststellungsbescheide, auch wenn im Zeitpunkt ihres Erlasses die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung fehlen (BFH, Beschluss vom 9.6.2000, X B 104/99, BFH/NV 2001, 1).
4. Deshalb war entscheidungserheblich, ob der Feststellungsbescheid nur die von den Unterbeteiligten erzielten Kapitaleinkünfte oder zusätzlich auch deren wirtschaftliche Mitinhaberschaft an der GmbH-Beteiligung des Hauptbeteiligten einheitlich verbindlich feststellte. Die Bindungswirkung richtet sich grundsätzlich nach den Verfügungssätzen des VA, d.h. in welchem Umfang und mit welchem Inhalt das FA Besteuerungsgrundlagen in dessen Tenor aufgenommen hat (vgl. auch § 157 Abs. 2 2. Halbsatz AO).
Erst wenn der Tenor auslegungsbedürftig ist, kann auch auf die Gründe des Bescheids oder sonstige in zeitlichem Zusammenhang mit dessen Erlass vorhandene Umstände zurückgegriffen werden.
5. Sog. vorgreifliche Umstände – hier die für die Höhe und Verteilung der Kapitaleinkünfte notwendige wirtschaftliche Inhaberschaft der Unterbeteiligten – können sich im Übrigen dann nicht auf Sachverhalte erstr...