Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Eine offenbare Unrichtigkeit liegt nicht vor, wenn der Steuerberater die Beiträge eines Mandanten zu einer Versorgungsanstalt bewusst und unter Verkennung der steuerlichen Rechtslage bei den Sonderausgaben in das unzutreffende Eingabefeld einträgt.
Sachverhalt
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2011 bis 2014 erklärte der Steuerberater des Klägers Beiträge an eine Versorgungsanstalt für Ärzte als Beiträge zu "Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht" und nicht als solche "zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen bei Nichtarbeitnehmern". Das Finanzamt führte die Veranlagungen trotz der eindeutigen Erkennbarkeit der Fehleintragung erklärungsgemäß durch. Die Beiträge wirkten sich dabei steuerlich nicht aus, weil sie nur als beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben behandelt wurden.
Der Steuerberater beantragte die Berichtigung der bestandskräftigen Bescheide nach § 129 AO mit der Begründung, der falsche Zeileneintrag stelle eine offenbare Unrichtigkeit dar. Das Finanzamt lehnte dies ab.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass der Fehler des Steuerberaters keine offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 129 AO darstellt. Es lägen keine mechanischen Versehen vor, sondern den Bescheiden läge eine unzutreffende rechtliche Würdigung fehlerhafter Steuererklärungen zugrunde.
Der Fehler, der dem Finanzamt bei Durchführung der Veranlagungen unterlaufen sei, habe seine Ursache in der fehlerhaften Erstellung der Einkommensteuererklärungen durch den Steuerberater des Klägers. Durch die entsprechende Übernahme des Erklärungsgehalts der Steuererklärungen habe das Finanzamt diesen Fehler übernommen. Der Eintrag der vom Kläger an die Versorgungsanstalt geleisteten Beiträge in die falsche Zeile durch den Steuerberater beruhte nicht lediglich auf Unachtsamkeit, Flüchtigkeit, Gedankenlosigkeit oder Abgelenktheit. Vielmehr habe der Steuerberater in mehreren Schritten unter Zuhilfenahme eines Steuererklärungsprogramms am PC bewusst und unter Verkennung der Rechtslage das unzutreffende Eingabefeld ausgewählt und dort den Eintrag vorgenommen.
§ 129 AO lasse zwar eine Berichtigung eines fehlerhaften Steuerbescheids auch zu, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt, jedoch gelte dies nicht, wenn dem Steuerpflichtigen wie vorliegend ein Rechtsanwendungsfehler unterlaufen sei.
Hinweis
Der Kläger hat Revision eingelegt, Az beim BFH X R 27/18. Der BFH hat nunmehr darüber zu entscheiden, ob ein Einkommensteuerbescheid wegen offenbarer Unrichtigkeit berichtigt werden kann, wenn für das Finanzamt die fehlerhafte Eintragung der Vorsorgeaufwendungen in die falsche Kennziffer ohne weiteres erkennbar, die falsche Eintragung des Steuerberaters hierfür jedoch ursächlich war.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2018, 8 K 2881/16