Leitsatz
1. Zur Begründung eines Einfuhrabgabenbescheids für vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Waren reicht die Darstellung der Tatsachen, die den Tatbestand des Art. 202 ZK erfüllen. Dass die Verbringungshandlung außerdem eine Steuerhinterziehung ist, führt nicht zu erhöhten Begründungsanforderungen.
2. Begründungsmängel führen nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts.
Normenkette
§ 93 Abs. 1 S. 1, § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO
Sachverhalt
Gegen einen Schmuggler war ein Zoll-, Tabak- und Einfuhrumsatzsteuerbescheid über 24 Mio. Euro ergangen. Die einzelnen angeblich eingeschmuggelten Zigarettenladungen waren in einer Anlage zu diesem Bescheid näher bezeichnet worden – insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts der Einfuhr bzw. in einigen Fällen des Zeitraums derselben. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Anderthalb Jahre später erhob der Betroffene jedoch wegen des Bescheids Klage auf Feststellung der Nichtigkeit, der das FG (FG Hamburg, Urteil vom 28.02.2008, 4 K 307/07, Haufe-Index 2079150) stattgab. Es beanstandete, dass der Bescheid unzureichend begründet sei. Er lasse nicht erkennen, auf welchen tatsächlichen Feststellungen er beruhe. Insbesondere seien die Schätzungsgrundlagen nicht angegeben. Der Bescheid sei deshalb nichtig, zumal bei einem wegen Steuerhinterziehung ergangenen Bescheid deutlich höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen seien als bei einem klassischen Bescheid.
Entscheidung
Der BFH hat die – gelinde gesagt – bemerkenswerte Entscheidung des FG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Steuerbescheid sei wegen seiner möglicherweise unzureichenden Begründung nicht nichtig, sofern bei ihm überhaupt Begründungsmängel beanstandet werden könnten.
Hinweis
1. Nichtig ist ein Bescheid, der an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und bei dem dies bei verständiger Würdigung offenkundig ist.
2. Ist eine Steuerhinterziehung begangen worden, beruht der Steueranspruch gleichwohl nicht auf der Hinterziehungshandlung, sondern auf der Verwirklichung des Besteuerungstatbestands, hier: der vorschriftswidrigen Einfuhr von Zigaretten (Art. 202 ZK). Dass dieser Steuerentstehungstatbestand den Straftatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht, ist folglich belanglos. Es ist belanglos auch für die Anforderungen an die Begründung des Steuerbescheids.
3. Die für einen Bescheid vom Gesetz geforderte Begründung muss nicht die Quellen angeben, aus denen die Behörde ihre Erkenntnisse über die tatsächlichen Grundlagen der Steuerfestsetzung hat, oder gar Nachweise hierfür erbringen. Sie muss lediglich die Angaben enthalten, die erforderlich sind, um zu verstehen, was von dem Betroffenen aus welchem Grund verlangt wird.
4. Ein Schätzungsbescheid kann nichtig sein, wenn sich die Behörde nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert hat, sondern bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt hat. Der Fall, dass die Schätzungsgrundlagen nicht oder nicht ausreichend dargestellt sind, ist diesem Fall einer willkürlichen Schätzung jedoch offenkundig nicht gleichzustellen.
5. Mängel der Begründung eines Bescheids machen diesen unter Umständen anfechtbar. Ein mangelhaft begründeter Bescheid ist jedoch wegen dieses Mangels grundsätzlich nicht nichtig.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.03.2009 – VII R 40/08 (NV)