Im Streitfall ging es um eine KG, die von mehreren Arbeitnehmerinnen im Laufe des Jahres 1989 eine Schwangerschaftsanzeige ( § 5 des Mutterschutzgesetzes – MuSchG ) erhielt. Für die im Folgejahr zu erwartende Verpflichtung, nach § 14 MuSchG einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld leisten zu müssen, bildete die KG in ihrer Schlußbilanz zum 31. 12. 1989 eine Rückstellung . Das Finanzamt erkannte diese Rückstellung bei der Feststellung der Einkünfte nicht an und erhöhte den Gewinn entsprechend.
Der anschließende Rechtsstreit betraf die Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung gegeben waren. Dabei ging es vor allem um die handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze , nach denen für „drohende Verluste aus schwebenden Geschäften” Rückstellungen zu bilden sind ( § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB ).
Schwebende Geschäfte – also Geschäfte, die noch von keiner Seite voll erfüllt sind – sind in der Bilanz nicht auszuweisen. Zu den grundsätzlich nicht zu bilanzierenden „schwebenden Geschäften” gehören auch Arbeitsverhältnisse. Von dem Bilanzierungsverbot sind lediglich die Fälle ausgenommen, in denen aus schwebenden Geschäften Verluste drohen. Für diese Verluste sind in der Handelsbilanz (vgl. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB ) und – bis zum 31. 12. 1996 – auch in der Steuerbilanz entsprechende Rückstellungen zu bilden ( § 5 Abs. 1 EStG ).
Drohende Verluste liegen allerdings nur dann vor, wenn das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung gestört ist und die den Steuerpflichtigen treffende Leistungsverpflichtung einen höheren Wert hat als die ihm zustehende Leistung.
Bei Arbeitsverhältnissen gilt die Vermutung , daß Leistung und Gegenleistung ausgeglichen sind . Insbesondere entsteht für den Arbeitgeber kein „Verpflichtungsüberhang” durch Sozialleistungen , zu denen er nach arbeits- oder sozialrechtlichen Vorschriften verpflichtet ist, wie z. B. die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Leistungen des Arbeitgebers aufgrund des Mutterschutzrechts . Zu den arbeits- und sozialrechtlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers, die die Ausgeglichenheitsvermutung nicht erschüttern, gehört auch die Verpflichtung nach § 14 MuSchG , das Mutterschaftsgeld auf den vor Eintritt des Mutterschutzes gezahlten Nettolohn aufzustocken. Nach der BFH-Entscheidung ist diese Verpflichtung kein Grund zur Bildung einer Rückstellung, obwohl die Arbeitnehmerin während der Zeit dieser Zahlungsverpflichtung keine Arbeitsleistung erbringt.
Streitigkeiten wie die, die der BFH jetzt zu entscheiden hatte, wird es in Zukunft nicht mehr geben: Denn Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. 12. 1996 enden, in den Steuerbilanzen nicht mehr gebildet werden (§ 5 Abs. 4a, § 52 Abs. 6a Satz 1 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Fortführung der Unternehmensreform vom 29. 10. 1997, BGBl 1997 I S. 2590).