Leitsatz
Die Entscheidung des FG über einen Antrag auf Änderung oder Aufhebung nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO wirkt grundsätzlich ab ihrer Bekanntgabe, d.h. nur für die Zukunft; für die Vergangenheit bleiben die Wirkungen des veränderten oder aufgehobenen Beschlusses erhalten.
Normenkette
§ 69 Abs. 6 FGO
Sachverhalt
Die Antragsteller erklärten für das Streitjahr (1999) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (Spekulationsgewinne), die das FA mit Einkommensteueränderungsbescheid der Besteuerung unterwarf. Im Verlauf des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens und nach Ergehen weiterer Änderungsbescheide verfügte das FA im September 2002 das Ruhen des Einspruchsverfahrens.
Im August 2003 beantragten die Antragsteller – unter Bezugnahme auf frühere Anträge – die Aufhebung der Vollziehung sämtlicher an sie ergangenen Steuerbescheide für 1999, soweit wegen der Versteuerung der Spekulationsgewinne Einspruch erhoben worden sei.
Das FA hob daraufhin Anfang Oktober 2003 die Vollziehung des Einkommensteuer(änderungs)bescheids 1999 ab dem 11.6.2003 i.H.v. 1.353.246,46 Euro Einkommensteuer 1999, 74.428,55 Euro Solidaritätszuschlag 1999 und 66.000 Euro Zinsen zur Einkommensteuer auf. Das von den Antragstellern gem. § 69 Abs. 3 FGO angerufene FG hob die Vollziehung auch für die Zeit vom 28.12.2001 bis zum 10.6.2003 auf.
Im April 2004 beantragte das FA gem. § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO die Aufhebung des FG-Beschlusses und machte unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.3.2004, 2 BvL 17/02 (BGBl I 2004, 591) und das BMF-Schreiben vom 19.3.2004, IV D 2 – S 0338 – 11/04 (BStBl I 2004, 361) geltend, es bestehe keine Veranlassung mehr, diesbezügliche Einspruchsverfahren ruhen zu lassen; auch eine Aussetzung der Vollziehung komme insoweit nicht mehr in Betracht. Das FG verwarf den Antrag des FA als unzulässig. Hiergegen wendet sich das FA mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH hat das FG den Antrag zu Recht als unzulässig verworfen. Für den Anfang April 2004 gestellten Antrag des FA auf Aufhebung des im Dezember 2003 ergangenen Vollziehungsaussetzungsbeschlusses bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Das FG habe im genannten Beschluss die Aufhebung der Vollziehung für die Zeit vom 28.12.2001 bis zum 10.6.2003 ausgesprochen. Die sich daraus ergebenden Wirkungen würden durch den Aufhebungsantrag des FA nicht berührt.
Hinweis
Nach § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 FGO jederzeit ändern oder aufheben. Ein Beteiligter kann die Änderung oder Aufhebung unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO, d.h. wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Macht er keine solchen Gründe schlüssig geltend, ist der Antrag unzulässig (Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz. 1228).
Die Entscheidung des FG über den Antrag wirkt im Übrigen grundsätzlich ab ihrer Bekanntgabe, d.h. nur für die Zukunft; für die Vergangenheit bleiben die Wirkungen des veränderten oder aufgehobenen Beschlusses erhalten (vgl. Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz. 1252; Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO Rz. 338).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 23.11.2004, IX B 88/04