Leitsatz
Das nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gezahlte pauschale, nach den Dienstbezügen bzw. dem Ruhegehalt des Verstorbenen bemessene Sterbegeld ist nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei.
Normenkette
§ 3 Nr. 11, § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 24 Nr. 2, § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG, § 1 Abs. 1 Satz 2 LStDV, § 16 Nr. 2, § 18 Abs. 1 LBeamtVG NRW a.F.
Sachverhalt
Die Klägerin war zusammen mit ihren beiden Geschwistern Erbin ihrer verstorbenen Mutter (M), die als Ruhestandsbeamtin vom Land Nordrhein-Westfalen (NRW) eine Pension bezog. Den Erben stand nach beamtenrechtlichen Grundsätzen ein Sterbegeld in Höhe der doppelten Bruttobezüge des Sterbemonats der M zu. Auf Antrag der Klägerin zahlte das Landesamt NRW das Sterbegeld nach Abzug von einbehaltener LSt und SolZ auf das von der Klägerin verwaltete Konto der M. Das FA sah das Sterbegeld als steuerpflichtige Einnahmen der Klägerin an und erhöhte deren Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit um den Bruttobetrag des Sterbegeldes. Zugleich gewährte es einen Freibetrag für Versorgungsbezüge sowie den Werbungskosten-Pauschbetrag i.H.v. 102 EUR. Das FG gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt. Denn das Sterbegeld sei nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.1.2019, 11 K 11160/18, Haufe-Index 12986337, EFG 2019, 535).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Hinweis
1. M bezog als Ruhestandsbeamtin des Landes NRW Versorgungsbezüge. Die Klägerin hatte zusammen mit ihren Geschwistern als Abkömmlinge der M nach § 18 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 LBeamtVG NRW a.F. Anspruch auf Sterbegeld als Teil der Hinterbliebenenversorgung (§ 16 Nr. 2 LBeamtVG NRW a.F.). Bei dem Sterbegeld handelt es sich gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG um steuerbare, der Klägerin als Miterbin und damit Gesamtrechtsnachfolgerin der M zuzurechnende Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (s. Blümich/Geserich, § 19 EStG Rz. 252).
2. Auch ist das Sterbegeld der Klägerin und nicht der Erbengemeinschaft gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG im Streitjahr in voller Höhe zugeflossen. Zwar ist der Zufluss bei einer Gesamthandsgemeinschaft wie der Erbengemeinschaft bei jedem Mitglied in der Regel in dem Zeitpunkt gegeben, zu dem die Gemeinschaft die wirtschaftliche Verfügungsmacht erhält. Bei dem hier streitgegenständlichen Sterbegeld nach § 18 Abs. 1 LBeamtVG NRW a.F. handelt es sich jedoch um einen beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch eigener Art, den beim Tode eines Beamten nicht dessen Erben als solche erwerben, sondern der originär zugunsten der in § 18 Abs. 1 LBeamtVG NRW a.F. als sterbegeldberechtigt bezeichneten Personen entsteht und daher auch nicht in den Nachlass des Verstorbenen fällt. Die Sterbegeldberechtigten sind auch weder Teilgläubiger (§ 420 BGB) noch bilden sie eine Gesamthandsgläubigerschaft i.S.d. § 432 BGB. Demnach hat die Gutschrift auf dem Konto der verstorbenen M im Streitfall zu einem Zufluss des Sterbegeldes bei der Klägerin geführt (s.a. Blümich/Geserich, § 19 EStG Rz. 254)
3. Das FG hat das streitbefangene Sterbegeld jedoch zu Unrecht als gemäß § 3 Nr. 11 EStG steuerfreien Bezug beurteilt. Denn danach sind nur Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt werden, steuerfrei. Um solche handelt es sich bei den streitbefangenen Bezügen jedoch nicht. Das pauschale Sterbegeld soll den Hinterbliebenen die Bestreitung der mit dem Tod des Beamten zusammenhängenden besonderen Aufwendungen erleichtern, d.h. beispielsweise die Kosten für die letzte Krankheit und die Bestattung des Beamten tragen. Es wird – anders als die Gewährung von (Krankheits-)Beihilfen oder etwa dem von den Finanzbehörden als nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei beurteilten sog. Kostensterbegeld gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 LBeamtVG NRW a.F. – unabhängig davon ausgezahlt, ob anlässlich des Todesfalls tatsächlich Kosten entstanden sind. Es orientiert sich an den Dienst- oder Anwärterbezügen bzw. am Ruhegehalt des Verstorbenen im Sterbemonat (s. § 18 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LBeamtVG NRW a.F.), nicht aber – wie z.B. die Zahlung von Beihilfen – an der wegen des anlassbezogenen tatsächlichen Aufwands typisierend vermuteten Hilfsbedürftigkeit des Empfängers.
4. Bei dem pauschalen Sterbegeld handelt es sich jedoch um einen Versorgungsbezug i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG. Unerheblich ist insoweit, dass es sich um einen einmaligen Bezug handelt. Hiervon ist auch das FA ausgegangen und hat die Einnahmen um den Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. den Sätzen 3 und 7 EStG sowie den Werbungskosten-Pauschbetrag i.H.v. 102 EUR gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG gemindert.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.4.2021 – VI R 8/19