Leitsatz
Ein steuerbegünstigter Erwerb eines Familienheims i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG liegt nur vor, wenn der längerlebende Ehegatte von Todes wegen endgültig zivilrechtlich Eigentum oder Miteigentum an einer als Familienheim begünstigten Immobilie des vorverstorbenen Ehegatten erwirbt und diese zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt. Die von Todes wegen erfolgende Zuwendung eines dinglichen Wohnungsrechts an dem Familienheim erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung.
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Klägerin ist zu 1/3 Miterbin ihres im August 2009 verstorbenen Ehemanns (E). Weitere Miterben sind die beiden Kinder des E. Zum Nachlass gehörte u.a. ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. Entsprechend den testamentarischen Verfügungen des E wurde das Eigentum an diesem Grundstück jeweils zur Hälfte an die beiden Kinder übertragen und der Klägerin unentgeltlich ein lebenslanges, dinglich gesichertes Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an der in dem Haus befindlichen Wohnung eingeräumt, die die Klägerin und E bis zu dessen Tod gemeinsam bewohnt hatten. Das FA versagte für den Erwerb der Klägerin die Steuerbefreiung für Familienheime gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG und bezog den Kapitalwert des der Klägerin eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts in die Ermittlung ihres steuerpflichtigen Erwerbs ein. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG stützte die Nichtanwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG auf den vorausgesetzten Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem bebauten Grundstück; der Erwerb eines bloßen Wohnungsrechts sei nicht begünstigt (FG Köln, Urteil vom 8.8.2012, 9 K 3615/11, Haufe-Index 3289416, EFG 2012, 2220).
Entscheidung
Dem ist, wie vorstehend erläutert, im Ergebnis auch der BFH gefolgt.
Hinweis
Mit der am 1.1.2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuerreform hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten der steuerfreien Zuwendung des zu Wohnzwecken genutzten Familienheims unter Familienangehörigen erheblich ausgeweitet. Begünstigt sind nicht mehr nur die entsprechenden (ehebedingten) Zuwendungen unter Lebenden zwischen Ehegatten, sondern nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG auch Zuwendungen von Todes wegen zwischen Ehegatten. Dieser Steuerbefreiung sind allerdings Grenzen gesetzt; diese sollten schon vor dem Erbfall bedacht werden.
1.§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG setzt nach seinem klaren Wortlaut den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Der Erwerb eines dinglichen Wohnrechts durch den überlebenden Ehegatten genügt nicht. Ein solches Wohnrecht gewährt nur ein Nutzungsrecht und lässt die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse unberührt.
Diese Beurteilung kann nicht im Wege der gängigen Auslegungsmethoden (durch Auslegung gegen den Wortlaut oder Analogie) korrigiert werden, weil die Beschränkung der Vergünstigung auf den Erwerb von (Mit-)Eigentum durch den überlebenden Ehegatten der klaren Absicht des Gesetzgebers entspricht.
2.Auch das Verfassungsrecht steht der Beschränkung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG auf den Erwerb von (Mit-)Eigentum durch den überlebenden Ehegatten nicht entgegen. Ein weitergehender Rechtstitel ergibt sich weder aus dem – laut BVerfG – das Erbschaftsteuerrecht prägenden Familienprinzip noch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz.
Überdies ist der Befreiungstatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG schon für sich verfassungsrechtlich bedenklich, weil der Gesetzgeber bei der Steuerfreistellung des zur individuellen Lebensgestaltung bestimmten Vermögens zur Gleichbehandlung verpflichtet ist. Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift würde die Verfassungsbedenken noch zusätzlich verstärken. Im Übrigen hat der BFH ähnliche Bedenken schon im Blick auf die Befreiungsregelung für freigebige Zuwendungen unter Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG geäußert (vgl. BFH, Urteil vom 18.7.2013, II R 35/11, BFH/NV 2013, 2012).
3. Für die Praxis erweist es sich damit als nachteilig, einen Ehegatten erst beim Erwerb von Todes wegen durch ein Wohnrecht abzusichern. Vorteilhafter – jedenfalls nach der gegenwärtigen Rechtslage – ist es, in Ausnutzung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG das Familienheim bereits zu Lebzeiten auf den Ehegatten zu übertragen. In diesem Fall entfällt zudem die zehnjährige Selbstnutzungsfrist des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG. Dabei kann dem übertragenden Ehegatte z.B. ein Rückforderungsrecht für den Fall der Scheidung eingeräumt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.6.2014 – II R 45/12