Leitsatz
Mit Präventionsleistungen im Zusammenhang stehende unentgeltliche oder vergünstigte Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen des Arbeitgebers sind regelmäßig nicht nach § 3 Nr. 34 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei (Anschluss an Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.04.2021, BStBl I 2021, 700, Rz 34).
Normenkette
§ 3 Nr. 34, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 20, § 20a, § 23 Abs. 2 Satz 2 SGB V
Sachverhalt
In den Kalenderjahren 2011 bis 2014 (Streitzeitraum) ermöglichte die Klägerin ihren Arbeitnehmern die Teilnahme an sog. Gesundheitstagen. Die Veranstaltungen begannen jeweils freitags um 12:00 Uhr und endeten sonntags um 13:30 Uhr oder 14:00 Uhr. Die Unterbringung der Teilnehmer erfolgte während der Gesundheitstage in einem Ferienzentrum oder in einem Hotel. Das Veranstaltungsangebot bestand z.B. aus der Einführung in Nordic Walking, Rückenschule, progressiver Muskelentspannung oder aus Ernährungskursen.
Der von der Klägerin für die Seminarteilnahme nebst Unterkunft und Verpflegung kalkulierte Preis betrug je Teilnehmer 285 EUR (2011 und 2012) beziehungsweise 280 EUR (2013 und 2014). Die Arbeitnehmer der Klägerin hatten lediglich einen Eigenanteil i.H.v. 99 EUR zu zahlen, den sie bei der Veranstaltung vor Ort entrichten mussten. Die darüber hinausgehenden Kosten trug die Klägerin. Die Krankenkassen ordneten den von den Arbeitnehmern gezahlten Eigenanteil als Aufwendungen i.S.d. § 20 SGB V ein und erstatteten (auf Antrag) Beträge zwischen 75 EUR und 99 EUR.
Die Klägerin behandelte die Vorteile aus der vergünstigten Teilnahme an den Gesundheitstagen insgesamt als steuerfreien Arbeitslohn gemäß § 3 Nr. 34 EStG. Das FA war hingegen der Ansicht, die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG erstrecke sich nicht auf Neben- oder Zusatzleistungen, wie die Kosten der Verpflegung und Unterkunft. Für die auf diese geldwerten Vorteile entfallende, nicht einbehaltene und abgeführte LSt nahm das FA die Klägerin für den Streitzeitraum durch Nachforderungsbescheid gemäß § 40 Abs. 1 EStG in Anspruch.
Das FG gab der nach erfolglosem Vorverfahren statt (Thüringer FG, Urteil vom 14.10.2021, 1 K 655/17, Haufe-Index 15160574).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern durch die unentgeltliche oder verbilligte Gewährung von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen anlässlich der Teilnahme an den Gesundheitstagen Arbeitslohn i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Form von steuerbaren (geldwerten) Vorteilen zugewandt.
2. Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin daran, ihren Arbeitnehmern die mit der Teilnahme an den Gesundheitstagen verbundenen Vorteile hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung, über die im Streitfall allein zu entscheiden ist, einzuräumen, bestand nicht.
3. Die geldwerten Vorteile aus den Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen sind auch nicht gemäß § 3 Nr. 34 EStG in der im Streitzeitraum gültigen Fassung des JStG 2009steuerfrei.
4. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 34 EStG i.d.F. des JStG 2009. Hiernach sind steuerfrei zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20 und 20a SGB V genügen, soweit sie 500 EUR im Kalenderjahr nicht übersteigen. Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen zählen nicht zu diesen Leistungen, da sie weder den allgemeinen Gesundheitszustand der Arbeitnehmer verbessern, noch die Gesundheit fördern (BMF, Schreiben vom 20.4.2021, IV C 5 – S 2342/20/10003 :003, BStBl I 2021, 700, Rz. 34).
5. Das Sozialversicherungsrecht, auf das die Vorschrift des § 3 Nr. 34 EStG Bezug nimmt, bestätigt dies. Denn es unterscheidet unter anderem zwischen den in § 20 SGB V geregelten primären Präventionsleistungen und den in § 23 Abs. 2 Satz 2 SGB V genannten "übrigen Kosten", die Versicherten im Zusammenhang mit nicht am Wohnort erbrachten allgemeinen Vorsorgeleistungen entstehen. Zu diesen "übrigen Kosten", die von den Krankenkassen in ihren Satzungen lediglich mit bis zu 16 EUR täglich bezuschusst werden durften, zählen alle Nebenleistungen zu ambulant erbrachten Vorsorgeleistungen, insbesondere die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. An diese Unterscheidung knüpft § 3 Nr. 34 EStG an, indem er hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit lediglich auf die Anforderungen der §§ 20 und 20a SGB V Bezug nimmt und die Vorschrift des § 23 SGB V unerwähnt lässt.
6. Die Steuerfreiheit der Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen ergibt sich entgegen der Auffassung des FG auch nicht daraus, dass es sich bei den Gesundheitstagen um eine "einheitliche Maßnahme" handelt. Vielmehr hat die Prüfung der Voraussetzungen einer Steuerbefreiungsvorschrift nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich...