Leitsatz
1. Ein Unternehmen, dessen Tätigkeitsschwerpunkt im Parallelimport und Abpacken von Arzneimitteln besteht, ist kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S.v. § 9 Abs. 3 StromStG. Die Gewährung einer Steuerbegünstigung kommt daher nicht in Betracht.
2. Der Versagung der Steuerbegünstigung steht nicht entgegen, dass das Unternehmen eine Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG besitzt.
Normenkette
§ 9 Abs. 3 StromStG , § 2 Nr. 3 StromStG , § 13 Abs. 1 AMG
Sachverhalt
Ein Unternehmen begehrt eine Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom. Gegenstand des Unternehmens ist der Import von Arzneimitteln nach Deutschland. Dabei müssen die Arzneimittel oftmals eine neue Verpackung und Kennzeichnung erhalten. Das erfordert eine Zulassung des Unternehmens nach dem Arzneimittelgesetz (AMG), welche das Unternehmen auch besitzt.
Das HZA lehnte den Erlaubnisantrag gleichwohl mit der Begründung ab, dass das Unternehmen nicht dem Produzierenden Gewerbe angehöre. Vielmehr sei es nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts dem Großhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen zuzuordnen.
Entscheidung
Die Klägerin betreibt kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes; ihr steht deshalb eine Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom nicht zu. Ihre Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG ist stromsteuerrechtlich bedeutungslos.
Hinweis
1. Strom unterliegt einem ermäßigten Steuersatz, wenn er von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen wird und die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 StromStG nicht vorliegen (§ 9 Abs. 3 StromStG). Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sind Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, die diesem Wirtschaftszweig in der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes zugeordnet sind.
2. Mit der Verweisung auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige hat der Gesetzgeber zur Abgrenzung und näheren Bestimmung des Begünstigtenkreises eine – aus stromsteuerlicher Sicht im Ergebnis mitunter fragwürdige, weil unter rein statistischen Gesichtspunkten erstellte – Typisierung vorgenommen. Diese ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden und vom BVerfG auch nicht beanstandet worden (vgl. dazu schon näher BFH, Urteil vom 24.8.2004, VII R 23/03, BFH-PR 2005, 43). Eine besser geeignete Klassifikation stand dem Gesetzgeber nicht zur Verfügung.
3. Die "gerechtere" Alternative für den Gesetzgeber, der das sog. Produzierende Gewerbe wegen der von ihm angenommenen internationalen Wettbewerbssituation stromsteuerlich entlasten wollte, wäre gewesen, Wirtschaftszweig für Wirtschaftszweig die tatsächliche Wettbewerbssituation zu analysieren oder – ganz perfekt – der Verwaltung eine betriebsbezogene Betrachtung aufzuerlegen, ob der betreffende Stromverbraucher eine stromsteuerliche Vergünstigung aufgrund seiner individuellen Wettbewerbssituation "nötig" hat. Eine schier unlösbare Aufgabe! Mit Recht hat das BVerfG ebenso wenig wie der BFH deshalb verlangt, dass die stromsteuerliche Begünstigung des (typischerweise, freilich nicht immer und nicht immer allein) in besonderem Maß vom internationalen Wettbewerb betroffenen Produzierenden Gewerbes einzelfallbezogen entschieden oder dafür zumindest eine feinsinnigere Abgrenzung aufgestellt wird, als sie der schlichte Verweis auf die statistische Klassifizierung der Wirtschaftszweige bietet.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.2.2005, VII R 27/04