Leitsatz
Ein Unternehmen, dessen Tätigkeitsschwerpunkt in der Beförderung von Erdgas in einem rohrleitungsgebundenen Gastransportsystem mit mehreren Verdichterstationen durch das deutsche Hoheitsgebiet liegt, ist kein Energieversorgungsunternehmen der Unterklasse 40.20.3 der WZ 93 und damit kein Unternehmen des produzierenden Gewerbes i.S.v. § 9 Abs. 3 StromStG, sondern betreibt den Transport von Gasen in Rohrfernleitungen, der der Unterklasse 60.30.0 der WZ 93 zuzuordnen ist. Die Gewährung einer Steuerbegünstigung kommt daher nicht in Betracht.
Normenkette
§ 9 Abs. 3, § 2 Nr. 3 StromStG, § 3 Nr. 18 EWG, § 6 B Ziff. III ProdGewStatG, Art. 2 Nr. 5 und 7 RL 2003/55/EG, § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 MinöStG 1993, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EnergieStG
Sachverhalt
Ein Unternehmen betreibt ein Rohrleitungssystem zum Transport von Gas; es reicht von der Ostgrenze bis zur Westgrenze Deutschlands. Es gibt fünf Betriebsstätten mit Verdichterstationen und Messanlagen sowie eine Trocknungsanlage. Aufgrund von Dienstleistungsverträgen mit anderen Unternehmen, die Gas liefern, obliegen dem Unternehmen die Steuerung, der Betrieb, die Überwachung, die Unterhaltung sowie die Verwaltung.
Das HZA hat 2004 die der Klägerin 1999 gem. § 9 Abs. 3 StromStG erteilte Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom widerrufen, weil das Unternehmen weder als Dienstleister bei der Erdgasgewinnung noch als Gasversorger anzusehen sei, also nicht zum produzierenden Gewerbe gehöre.
Entscheidung
Das Unternehmen darf Strom nicht steuerbegünstigt für den Betrieb seines Rohrnetzes verwenden, weil es nicht zum "produzierenden Gewerbe" zählt.
Hinweis
Strom unterliegt einem ermäßigten Steuersatz, wenn er von Unternehmen des produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke entnommen wird und die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 StromStG nicht vorliegen (§ 9 Abs. 3 StromStG). Unternehmen des produzierenden Gewerbes sind u.a. die Unternehmen der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- oder Wasserversorgungswirtschaft, wenn sie in der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts (WZ 93) diesen Wirtschaftszweigen zugeordnet sind. Das StromStG verweist also auf diese (statistische) Nomenklatur, die der BFH (ähnlich wie den Zolltarif) streng aus sich heraus auslegt, d.h. ohne den konkreten (stromsteuerlichen) Anwendungszweck oder gar Begriffsdefinitionen in irgendwelchen anderen Gesetzen für die Auslegung zu berücksichtigen.
Eine Zuordnung des Unternehmens zu den Unternehmen der Gasversorgung (Gruppe 40.2 WZ 93) ist nicht möglich, weil die Erläuterungen zur Unterklasse 40.20.3 (Gasverteilung ohne Gewinnung und Erzeugung) den Transport von Gas in Rohrfernleitungen ausdrücklich ausnehmen und der Unterklasse 60.30.0 WZ 93 zuweisen. Dies gilt unabhängig von der Struktur der Leitungsnetze, auf welche die WZ 93 nicht abstellt. Der Begriff "Fernleitung" wird in Unterklasse 60.30.0 WZ 93 zwar verwendet, aber nicht näher definiert und gegen Verteilernetze abgegrenzt. Beim Netz der Klägerin sieht es der BFH aber mit Recht als offensichtlich an, dass es sich um Fernleitungen handelt. Denn dass damit nur Leitungen gemeint sind, die durch einen Staat ohne dortige Entnahmestationen "hindurchgehen", bietet die statistische Nomenklatur keinerlei Anhaltspunkt. Maßgebend komme es auf die räumliche Distanz an, die mit den Rohrleitungen überbrückt werden soll, nicht auf Existenz und Anzahl von Entnahme- bzw. Einspeisungspunkten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.04.2009 – VII R 24/07