Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ist nicht tarifbegünstigt, wenn auf Grund einheitlicher Planung und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung wesentliche Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft ohne Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgeschieden sind.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2 , § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1
Sachverhalt
Die Kläger waren Kommanditisten der A GmbH & Co. KG, einer Gesellschaft der A-Firmengruppe, die Anfang 1989 umstrukturiert wurde. Mit Wirkung auf den 1.1.1989 verkaufte die KG Grundstücke an Schwesterpersonengesellschaften zum Buchwert. Zugleich wurden zum Gesamthandsvermögen der KG gehörende Beteiligungen auf Schwes-terpersonengesellschaften zum Buchwert übertragen. Anschließend veräußerten die Kläger im Februar 1989 ihre Kommanditanteile an eine neue Holdinggesellschaft, deren Gesellschafter sie ebenfalls waren. Das FA sah den Gewinn aus der Veräußerung der Kommanditanteile nicht als tarifbegünstigt an, weil nicht alle stillen Reserven aufgedeckt worden seien.
Entscheidung
Der BFH hielt – ebenso wie zuvor das FG – die Auffassung des FA für richtig. Der Zweck der Tarifvergünstigung nach §§ 16, 34 EStG bestehe da-rin, die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu erfassen. Im Hinblick darauf habe die Rechtsprechung die Tarifvergünstigung nicht gewährt, wenn im Rahmen des Veräußerungs- oder Aufgabevorgangs nicht alle stillen Reserven in dem veräußerten Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil aufgedeckt worden seien. Darüber hinaus dürfe der ermäßigte Einkommensteuertarif auch dann nicht gewährt werden, wenn auf Grund einheitlicher Planung und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils wesentliche Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft ohne Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgeschieden seien. Denn dann seien durch die Veräußerung nicht alle in den Mitunternehmeranteilen ruhenden stillen Reserven aufgedeckt worden. Zu einer solchen "Entwertung" der Mitunternehmeranteile komme es bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens zum Buchwert.
Es könne dahinstehen, ob die Entziehung der stillen Reserven durch die Gesellschaft Bedeutung für die Anteilsveräußerung eines Mitunternehmers haben könne, denn hier seien die stillen Reserven von den Gesellschaftern entnommen und anschließend in das Gesamthandsvermögen der Schwestergesellschaften überführt worden. Die Übertragung von Beteiligungen auf Schwesterpersonengesellschaften sei als Einbringung der betreffenden Wirtschaftsgüter durch alle Gesellschafter aus dem Betriebsvermögen der bisherigen Gesellschaft in das Betriebsvermögen der Schwestergesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten anzusehen. Die zivilrechtlich als Kauf gestaltete Übertragung der Grundstücke sei in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil zu zerlegen. Aus dem entgeltlichen Teil habe sich kein Gewinn ergeben, weil der Kaufpreis dem Buchwert entsprochen habe. Die stillen Reserven seien von den Klägern aus der KG unentgeltlich in die Schwestergesellschaften eingebracht worden.
Der Berücksichtigung der Buchwertübertragungen stehe nicht entgegen, dass diese einige Wochen vor der Veräußerung der Mitunternehmeranteile stattgefunden habe. Ähnlich wie bei einer Betriebsaufgabe müsse auch bei einer Betriebsveräuße-rung bzw. der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils eine zeitraumbezogene Betrachtung angestellt werden, wenn der "Veräußerungsplan" mehrere Teilakte umfasse. Bei einem zeitlichen Abstand von weniger als acht Wochen könne im Hinblick auf die Rechtsprechung zur zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe der enge zeitliche Zusammenhang nicht zweifelhaft sein.
Hinweis
1. Seit der Entscheidung des Großen Senats des BFH zur Aufnahme eines Sozius in eine Einzelpraxis (Beschl. v. 18.10.1999, GrS 2/98, BStBl II 2000, 123) sind mehrere Urteile zu den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes ergangen. Allen ist gemeinsam, dass sie die Notwendigkeit der Aufdeckung aller stillen Reserven betonen. Dieser Gesichtspunkt ist auch für die hier entschiedene Frage von maßgeblicher Bedeutung, ob die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils noch tarifbegünstigt sein kann, wenn zuvor in großem Umfang stille Reserven auf Schwestergesellschaften verschoben worden sind.
2. Derartige Verschiebungen waren nach Meinung des BFH dadurch möglich, dass Wirtschaftsgüter zum Buchwert zwischen Gesamthandsvermögen von Schwestergesellschaften übertragen werden konnten. Ob sich an dieser Betrachtung etwas durch die Neuregelung in § 6 Abs. 4 und 5 EStG ab 1998 geändert hat, ist noch nicht geklärt. Zumindest seit der ab 2001 geltenden erneuten Änderung des § 6 Abs. 5 Satz 3 durch das StSenkG dürfte die Rechtslage in Bezug auf die Übertragung zwischen Gesamthands...