Leitsatz

1. Kfz-Halter, die mit Rücksicht auf das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung schadstoffarmer Personenkraftwagen vom 22.12.1989 ein Fahrzeug mit einem ungeregelten Katalysator angeschafft oder entsprechend nachgerüstet haben, können dem Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997 den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht entgegenhalten.

2. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht befugt, den rechtspolitischen Handlungsspielraum künftiger Gesetzgeber einzuschränken.

3. Durch das Gesetz vom 22.12.1989 konnte deshalb kein berechtigtes Vertrauen entstehen, dass Fahrzeuge mit ungeregeltem Katalysator zumindest für ihre technische Lebensdauer kraftfahrzeugsteuerrechtlich so begünstigt würden, wie es in jenem Gesetz vorgesehen war.

 

Normenkette

§ 78 Abs. 1 ZPO , § 3f KraftStG 1979 J 1989 , KraftStÄndG 1997 , EWGRL 220/70

 

Sachverhalt

Ein Kfz-Halter hatte vor Jahren ein Fahrzeug mit ungeregeltem Katalysator erworben, das im Erwerbszeitpunkt kraftfahrzeugsteuerlich begünstigt war. Durch das Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997 wurde jedoch die Steuer für solche Fahrzeuge – ebenso wie für Fahrzeuge ohne Katalysator – erheblich angehoben.

Der Steuerpflichtige sah sich dadurch des wirtschaftlichen Vorteils seiner Investitionsentscheidung nachträglich beraubt; denn der Mehraufwand für den ungeregelten Katalysator habe sich noch nicht steuerlich amortisiert bzw. die Anschaffung eines Fahrzeugs mit dem jetzt begünstigten geregelten Katalysator (Euro-1-Norm) wäre per saldo vorteilhafter gewesen. Der Steuerpflichtige machte geltend, das Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997 sei aus diesem Grund verfassungswidrig.

 

Entscheidung

Der BFH ist diesem Vorbringen im Rahmen einer summarischen Prüfung eines Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts (§ 78b ZPO) entgegengetreten. Das Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997 sei verfassungsgemäß.

Ein Vertrauen auf den Fortbestand früher für ungeregelte Katalysatoren gewährter Steuervorteile sei nicht schutzwürdig. Der frühere Gesetzgeber habe nicht die Macht gehabt, den rechtspolitischen Handlungsspielraum des Gesetzgebers das Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997 dahin einzuschränken, dass er die Kraftfahrzeugsteuer für Fahrzeuge mit ungeregeltem Katalysator nicht oder jedenfalls nicht früher habe erhöhen dürfen als sich die Ausgaben für den ungeregelten Katalysator aufgrund dessen steuerlicher Begünstigung amortisiert haben.

 

Hinweis

Der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Steuerrecht ist nach wie vor im Gespräch. Seine Voraussetzungen und Grenzen sind nach wie vor nicht völlig geklärt. Unter anderem ist die herkömmliche Unterscheidung zwischen einer sog. echten und einer sog. unechten Rückwirkung oder zwischen Rückwirkung und sog. tatbestandlicher Rückanknüpfung vermehrter Kritik ausgesetzt (siehe neuerdings auch BFH-Beschluss vom 5.3.2001, IX B 90/00, BStBl II 2001, 405, BFH-PR 2001, 142).

So wird von dem vorgenannten Beschluss die Frage aufgeworfen, ob nicht zumindest im Grundsatz aufgrund einer bestimmten Gesetzeslage getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen gegenüber einer sie ganz oder teilweise entwertenden Rechtsänderung Schutz zu gewähren ist, mit anderen Worten: ein künftiger Gesetzgeber die steuerliche Behandlung solcher Investitionen auch für zukünftige Besteuerungszeiträume nicht verschlechtern darf.

Konsequent durchgeführt würde freilich ein solcher Grundsatz den Gesetzgeber lähmen oder – anders gesagt – dem Gesetzgeber die Macht geben, künftige Gesetzgeber ungeachtet veränderter politischer Mehrheiten zu binden. Das kollidiert mit dem Gemeinwohl, aber auch mit dem Gedanken, dass der demokratische Gesetzgeber nur ein Mandat auf Zeit hat, die Gestaltung der Rechtsordnung in der Zukunft also nicht vorwegnehmen darf.

Der Widerstreit zwischen dem verständlichen Wunsch, die Rechtsordnung möge bereits in der Vergangenheit begründete und bisweilen irreversibel gestaltete Lebenssachverhalte auch künftig nicht anders behandeln als ehemals, und der Notwendigkeit einer Änderung der Rechtsordnung aufgrund eines Wandels der Lebensverhältnisse oder einer gewandelten Bewertung der Lebensverhältnisse kann deshalb weder einseitig zulasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung gelöst werden noch kann er einseitig zulasten jenes Vertrauens auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gelöst werden. Bereits irreversibel getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen darf deshalb nicht von vornherein jegliche Berücksichtigung bei gesetzgeberischen Entscheidungen für die Zukunft versagt werden, ebenso wenig wie ein Investor ohne weiteres davon ausgehen kann, die steuerlichen Grundlagen seiner Investitionsentscheidung könnten sich nicht ändern.

Klar ist also, dass es nach dem Rechtsstaatsprinzip und dem darin beschlossenen Grundsatz des Schutzes berechtigten Vertrauens in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung einer Rechtfertigung bedarf, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert; dass eine solche Rechtfertigung für ...

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