Leitsatz
Erstellt eine Krankenschwester (mit entsprechender Zusatzausbildung) im Auftrag des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung für Zwecke der Pflegeversicherung Gutachten zur Feststellung von Art und Umfang der Pflegebedürftigkeit der Versicherten, ist diese Tätigkeit weder nach dem UStG noch nach der 6. EG-RL steuerfrei (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 28.06.2000, V R 72/99, BFH/NV 2000, 1433).
Normenkette
§ 4 Nr. 14, Nr. 15 Buchst. a, Nr. 16 Buchst. a und e UStG 1999, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c und g der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine ausgebildete Krankenschwester erstellte – aufgrund einer Zusatzausbildung für die betreffende medizinische Gutachtertätigkeit – im Auftrag des Medizinischen Diensts Gutachten zur Einstufung in eine Pflegestufe nach § 18 Abs. 6 SGB XI.
FA und FG (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 01.03.2007, 4 K 244/05, Haufe-Index 1755490, EFG 2007, 1045) verneinten die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung als Heilbehandlung.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG im Wesentlichen aus den in den Praxisgründen erläuterten Erwägungen. Auch eine unmittelbare Anwendung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. RL ("eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen") kam nicht in Betracht. Das hätte vorausgesetzt, dass die Klägerin eine "anerkannte Einrichtung" im Sinn dieser Vorschrift ist. Für die Anerkennung reicht es, wenn der nationale Gesetzgeber keine konkreten Regelungen für die Anerkennung aufgestellt hat, dass sich diese aus anderen Regelungen oder z.B. der Kostenübernahme durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen ergibt. Hat der Gesetzgeber aber – wie hier – ermessensfehlerfrei eine Befreiung auf konkrete Einrichtungen beschränkt (hier den MD), darf die Befreiung nicht auf Leistungen Dritter (Subunternehmer), die an die Einrichtung Leistungen erbringen, ausgeweitet werden.
Hinweis
1.§ 4 Nr. 14 UStG setzt unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" voraus. Gutachten z.B. zur Feststellung der Vaterschaft, zur Gewährung von Renten oder Beurteilung von ärztlichen Kunstfehlern sind deshalb nicht begünstigt. Auch die Anfertigung von Gutachten für Zwecke der Einstufung von Versicherten in der Pflegeversicherung dienen ihrem Zweck nach weder der Behandlung, Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit, sondern der Feststellung, in welcher Höhe dem Versicherten ein Anspruch auf Ersatz von Kosten nach dem Gesetz über die Pflegeversicherung zusteht.
2.§ 4 Nr. 15 Buchst. a UStG sind allerdings steuerbefreit die auf Gesetz beruhenden Leistungen der Medizinischen Dienste (MD) der Krankenversicherung und des Medizinischen Diensts der Spitzenverbände der Krankenkassen untereinander und für die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung und deren Verbände. Zu den auf Gesetz beruhenden Leistungen des MD gehört auch die Erstellung von Gutachten, die dieser aber nicht nur mit eigenem Personal durchführen muss, sondern nach § 18 Abs. 6 SGB XI anderen Personen übertragen kann. Das allein reicht jedoch nicht aus, die Befreiung auch auf deren Leistungen auszudehnen. Ein Auslegungskriterium ist zwar auch der Grundsatz der Neutralität der USt; auch der hat jedoch Grenzen, wie die Beschränkung der Steuerbefreiungen auf Unternehmer, die ganz bestimmte Anforderungen erfüllen müssen (vgl. Art. 132 MwStSystRL:"Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" oder die nach Art. 133 MwStSystRL zulässigen Einschränkungen) zeigt. Der Neutralitätsgrundsatz gebietet deshalb nicht, dass unterschiedlich ausgestaltete rechtliche Gestaltungen umsatzsteuerrechtlich gleich behandelt werden müssen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.10.2008 – V R 32/07