Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
* Die Annahme einer verdeckten Mitunternehmerschaft erfordert einen auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags gerichteten Bindungswillen der Beteiligten. Ob ein solcher Bindungswille besteht, ist anhand der Gesamtumstände des jeweiligen Falls zu entscheiden. Ein entsprechender Bindungswille kann jedenfalls dann nicht festgestellt werden, wenn der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG die ihm angebotene Stellung als Gesellschafter der GmbH und KG zugunsten seiner Ehefrau ausgeschlagen hat und wenn er seine faktische wirtschaftliche Machtposition innerhalb der Gesellschaften zur Durchsetzung seiner eigenen hohen Gehaltsansprüche zulasten der Gesellschafter einsetzt.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Klägerin war eine GmbH und Co. KG. Geschäftsführer der GmbH war H. Zu seinem Jahresgehalt erhielt er einen Bonus von 40 % des Reingewinns der KG. Seine Ehefrau war an der KG als Kommanditistin beteiligt und ebenfalls Geschäftsführerin der GmbH; H war berechtigt, ihre Rechte und Pflichten in der Gesellschafterversammlung der KG wahrzunehmen. Die Geschäftsführerstellung der GmbH für die KG und des H für die GmbH konnte nur einstimmig und nur aus wichtigem Grund aufgehoben werden.
H hatte der Gesellschaft gegen ein (angemessenes) Entgelt auch ein Grundstück zur Nutzung überlassen. Gegen eine (angemessene) Verzinsung hatte er zur Schonung der Liquidität der KG auch einen Teil seines Gehalts als Darlehen stehen lassen.
Das FA behandelte H deshalb und wegen seines hohen Gehalts als Geschäftsführer in den Streitjahren 1991 bis 1995 als verdeckten Mitunternehmer der KG. Er habe über die mit der KG geschlossenen Verträge nahezu den gesamten Gewinn der KG abgeschöpft. Entsprechend erhöhte es den Gewinn der KG um die an H geleisteten Zahlungen.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt (EFG 2000, 457), der BFH bestätigte das Urteil. Für die Annahme einer Mitunternehmerschaft genüge ein verdecktes Gesellschaftsverhältnis. Das sei unabhängig von der formalen Bezeichnung der zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisse nach dem Gesamtbild dieser Verhältnisse zu beurteilen. Entscheidend sei, ob die Gesellschafter in partnerschaftlicher Gleichberechtigung einen gemeinsamen Zweck erreichen wollten. Das sei bei einem tatsächlichen Miteinander, bei dem der Partner eines oder mehrerer Schuldverhältnisse seine faktische Machtposition zur Durchsetzung seiner Interessen nutze, nicht der Fall.
Im Streitfall seien unter Berücksichtigung der von den Gesellschaftern angenommenen Unersetzlichkeit des Geschäftsführers vom FG keine unangemessenen Bezüge festgestellt worden; ein Fremdvergleich müsse in einem solchen Fall nicht durchgeführt werden. Es spiele unter diesen Umständen auch keine Rolle mehr, dass der Geschäftsführer Teile seines Gehalts aus Liquiditätsgründen als Darlehen stehen gelassen habe. Denn so hätte sich bei entsprechend schlechter Liquiditätslage zur Sicherung seines Arbeitsplatzes auch ein "normaler" Arbeitnehmer verhalten.
Hinweis
Der BFH hat in seiner neueren Rechtsprechung die Annahme, jemand könne "faktischer Mitunternehmer" sein, abgelehnt. Mitunternehmer könne nur sein, wer Gesellschafter sei. Allerdings sei Gesellschafter nur, wer einen Gesellschaftsvertrag abgeschlossen habe; auch aus den Umständen seines Engagements in der Gesellschaft könne sich ergeben, dass er Gesellschafter sein solle (verdecktes Gesellschaftsverhältnis).
In Betracht kommt hier regelmäßig nur eine durch schlüssiges Handeln zustande gekommene (stille) BGB-Innengesellschaft. Die bloße Bündelung von tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeiten sowie von Risiken und leistungsbezogenen Entgelten aus einzelnen Schuldverhältnissen – hier: Dienst-, Miet-, Darlehensverhältnis – genügt dafür nicht (vgl. dazu u.a. BFH, Urteil vom 16.12.1997, VIII R 32/90, BStBl II 1998, 480). Auch der Umstand, dass die Ehefrau Mitunternehmerin ist, darf nach inzwischen ständiger Rechtsprechung auf die Beurteilung der Rechtsstellung des Ehemanns grundsätzlich keinen Einfluss nehmen.
Entscheidend für eine verdeckte Gesellschafterstellung ist, ob nach den gesamten Umständen des Einzelfalls ein partnerschaftliches Zusammenwirken der Personen festgestellt werden kann. Dabei kann ein wesentliches Indiz zwar die Unangemessenheit der Gegenleistungen für die erbrachten Leistungen sein; dieses Indiz versagt aber, wenn es für die Beurteilung der Gesellschafterstellung entscheidend auf den Inhalt des Dienstverhältnisses des Geschäftsführers ankommt und dieser aufgrund seiner erfolgreichen Tätigkeit eine solche faktische Machtposition erlangt hat, dass er seine Vorstellungen allein schon deshalb durchsetzen kann, weil er für die Gesellschaft unersetzlich geworden ist.
In einem solchen Fall verlagert sich das Schwergewicht der Prüfung auf die Fragen, ob der Geschäftsführer sich zusätzlich mit erheblichem eigenem Kapital am Unternehmen beteiligt hat und ob er sich über seine Tätigkeit als Geschäftsführer und über die Wahrnehmung sein...