Leitsatz
1. Für im Westjordanland hergestellte Waren, für die bei der Einfuhr ein den Ursprung "Israel" ausweisendes Ursprungszeugnis vorgelegt wird, kann eine Präferenzbehandlung weder nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel noch dem Assoziierungsabkommen EG-PLO gewährt werden.
2. Soweit in Teilen des Westjordanlands Zuständigkeiten zur Ausstellung von Ursprungszeugnissen möglicherweise allein von israelischen Behörden wahrgenommen werden, verleiht dieser Umstand im Westjordanland hergestellten Erzeugnissen keinen israelischen Ursprung.
3. Auch im Fall fehlender Möglichkeiten, palästinensische Ursprungszeugnisse für Waren aus dem Westjordanland zu erhalten, lässt sich eine Präferenzbehandlung jedenfalls dann nicht mit außergewöhnlichen Umständen rechtfertigen, wenn die Kommission bereits im Amtsblatt darauf hingewiesen hat, dass für Einfuhrwaren mit Ursprung Westjordanland, die von israelischen Ursprungszeugnissen begleitet werden, keine Zollpräferenzen gewährt werden.
4. Die Frage, ob im Westjordanland hergestellte Erzeugnisse präferenzrechtlich als Ursprungserzeugnisse Israels angesehen werden können, betrifft die rechtliche Auslegung der Assoziierungsabkommen und der Ursprungsprotokolle. An die Beantwortung dieser Frage durch die Behörden des Ausfuhrlands im Rahmen eines Nachprüfungsersuchens sind die Behörden des Einfuhrlands nicht gebunden.
Normenkette
Art. 220 Abs. 2 ZK, Art. 83 Assoziierungsabkommen EG-Israel, Art. 2, Art. 4, Art. 5, Art. 17, Art. 22, Art. 32 Protokoll Nr. 4 zum Assoziierungsabkommen EG-Israel
Sachverhalt
2002 wurden von einem Unternehmen mehrfach Waren zur Überführung in den freien Verkehr angemeldet, für die aufgrund der Ursprungsangabe "Israel" die Abfertigung zum Präferenzzollsatz gem. dem Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits (ABlEG 2000, Nr. L 147/3) begehrt wurde. Als Präferenznachweise für die in einem Betrieb im Westjordanland hergestellten Waren wurden Rechnungen des Lieferanten und Ausführers vorgelegt, mit denen dieser (insoweit von der israelischen Zollverwaltung ermächtigt) bestätigte, es handele sich um Ware mit Ursprung "Israel".
Das HZA gewährte die Zollpräferenz vorläufig, leitete aber ein nachträgliches Prüfungsverfahren durch ein entsprechendes Ersuchen an die israelische Zollverwaltung ein, die darauf antwortete, die Prüfung habe ergeben, dass die Waren aus einer Zone stammten, die unter israelischer Zollzuständigkeit stehe. Demgemäß handele es sich um Ursprungsware, die präferenzberechtigt im Sinne des Assoziierungsabkommens EG-Israel sei.
Das HZA lehnte daraufhin die Präferenzbehandlung ab und erhob Zoll nach.
Ein Vorabentscheidungsersuchen des gegen dessen Bescheid angerufenen FG hat der EuGH dahin beantwortet, die Präferenzbehandlung sei zu verweigern, wenn Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben. Es könne keine Wahlfeststellung vorgenommen werden, dass die Waren Präferenzbehandlung nach dem Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits genössen und ob der Ursprungsnachweis von den israelischen oder von den palästinensischen Behörden stammen muss. Das HZA sei auch nicht an den Ursprungsnachweis und die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden, wenn diese Antwort keine ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können.
Das FG hat die Klage daraufhin abgewiesen (FG Hamburg, Urteil vom 30.11.2011, 4 K 61/10, Haufe-Index 2933822).
Entscheidung
Die Revision auf dieses Urteil ist ohne Erfolg geblieben.
Hinweis
Die Antwort des EuGH auf die ihm gestellte Vorabentscheidungsfrage lässt wenig Sensibilität für die politische und verwaltungsmäßige Situation in den von Israel besetzten Gebieten erkennen, die nach glaubhaften Schilderungen auf dem Gebiet des Zolls ein mitunter wenig übersichtliches Konglomerat von Zuständigkeiten israelischer und palästinensischer Behörden aufweisen, mutmaßlich auch eine wenig strenge Handhabung der einschlägigen Vorschriften, Vereinbarungen und Abmachungen, von denen der Ausführer sich nur schwer klare Kenntnisse verschaffen kann. Ihm kann nach der Mentalität der EuGH-Entscheidung eigentlich nur geraten werden, von Geschäften in Palästina und in PLO-Gebieten Abstand zu nehmen – also das Gegenteil dessen zu tun, was das Interimsabkommen eigentlich bewirken will.
Gleichwohl: Der BFH ist an die EuGH-Entscheidung gebunden, die ihm keinerlei Entscheidungsspielraum beließ.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.3.2013 – VII R 6/12