Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 15.02.2013; Aktenzeichen (514) 83 Js 960/06 KLs (7/12)) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Berlin vom 15. Februar 2013 aufgehoben.
2. Der Angeklagte wird unter Aufrechterhaltung des Haftbefehls der Wirtschaftsstrafkammer vom 12. Dezember 2012 mit folgenden Maßgaben von dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont:
a) Er hat seine Ausweispapiere zu den Akten zu reichen,
b) sich - auch während der Dauer der Hauptverhandlung - zweimal wöchentlich bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeidienststelle zu melden, wobei die Festsetzung der Meldezeiten der Polizeidienststelle vorbehalten bleibt, und
c) jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich dem zuständigen Gericht mitzuteilen;
d) ferner darf er das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne vorherige Zustimmung des zuständigen Gerichts nicht verlassen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Gegen den Angeklagten wird seit dem 27. Februar 2013 vor dem Landgericht Berlin die Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs durchgeführt, er habe sich in der Zeit vom 13. Mai 2005 bis zum 12. August 2008 in acht Fällen des Betruges schuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft Berlin legt ihm zur Last, durch Vermittlung angeblicher Finanzinstrumente und Kreditlinien im dreistelligen Millionenbereich mehrere Einzelpersonen und Gesellschaften - zum Teil unter Einsatz gefälschter Urkunden - betrügerisch zur Zahlung von Geldbeträgen in Millionenhöhe veranlasst zu haben, wobei er in jedem Einzelfall gewerbsmäßig und in sieben Fällen zudem als Mitglied einer Bande gehandelt haben soll. Insgesamt sollen der Angeklagte und seine Mittäter Kundengelder in Höhe von mehr als 14 Millionen Euro und knapp 50 Millionen US-$ vereinnahmt und für eigene bzw. betriebsfremde Zwecke verwendet haben.
Konkret wird dem Angeklagten vorgeworfen, er habe in den im Jahr 2005 verwirklichten fünf Fällen gemeinschaftlich handelnd und absprachegemäß den jeweils durch Finanzvermittler akquirierten Kunden die Beteiligung an einem Handel mit Finanzinstrumenten in Aussicht gestellt, die ausschließlich im Interbankenverkehr gehandelt würden und für Einzelinvestoren normalerweise nicht zur Verfügung stünden. Um die Bereitschaft der Kunden zu wecken, die für die Teilnahme an diesem Handel vermeintlich erforderlichen Einlagen zwischen einer und drei Millionen Euro zu leisten, sei diesen vorgespiegelt worden, ihnen könnten entsprechende Kreditlinien verschafft werden, wozu der Angeklagte und seine Mittäter indessen ebenso wenig willens und in der Lage gewesen seien, wie zu der Ermöglichung einer Teilnahme an den angebotenen Wertpapiergeschäften. Der Mitangeklagte F habe in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Notar die Aufgabe übernommen, für die jeweiligen Kunden zum Zwecke der Einlagenzahlung Anderkonten zu eröffnen und mit diesen als vermeintlicher Treuhänder einen "Treuhandvertrag mit Hinterlegungs- und Auszahlungsanweisung" zu schließen. Mit der Abtretung einer angeblichen, tatsächlich gefälschten "Obligation" sei den Kunden vorgespiegelt worden, ihre Einlage sei vertragsgemäß gesichert.
Wegen der Einzelheiten dieser und der weiteren, in den Jahren 2006 bzw. 2008 gelegenen Tatvorwürfe 6 bis 8 verweist der Senat auf den Haftbefehl der Kammer vom 12. Dezember 2012. Die Geschädigten der Fälle 1 bis 5 sollen durch Rückzahlungen - beginnend ab November 2006 - ihre Einlagen zurück erhalten haben, allerdings nicht in vollem Umfang, sondern gekürzt um nicht näher belegte "Gebühren"; zudem sollen die Beträge nicht oder lediglich zum Basiszinssatz verzinst worden sein. Es besteht der Verdacht, dass diese Rückzahlungen aus der Einlage des Geschädigten im Fall 6 geleistet worden sind.
Der Beschwerdeführer wurde aufgrund des genannten Haftbefehls am 11. Januar 2013 an seinem Wohnsitz festgenommen. Seit diesem Tage wird der Haftbefehl vollzogen; seit dem 18. Januar 2013 befindet sich der Beschwerdeführer wegen seines Gesundheitszustands im Vollzugskrankenhaus.
Der Haftbefehl ist auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt. Das Landgericht hat insoweit eine hohe, nicht näher eingegrenzte (vgl. dazu jedoch BVerfG StV 2006, 248, 250) Straferwartung und überdies angenommen, dass sich bei dem Angeklagten "eingeschliffene Verhaltensmuster" fänden, weshalb nach den insoweit anzuwendenden Grundsätzen der Rechtsprechung eine Reststrafaussetzung "zumindest nicht überwiegend wahrscheinlich" sei. Zu Vorstrafen des Beschwerdeführers hat die Kammer ausgeführt, es liege eine am 27. März 2006 verhängte Geldstrafe von 60 Tagessätzen vor (bei der es sich nach Aktenlage um die vom Amtsgericht Frankfurt am Main wegen Urkundenfälschung ausgesprochene Strafe handeln dürfte; Band 8 Bl. 199 ff.). Nach den dem Senat vorliegenden Doppelakten, in denen sich kein Bundeszentralregisterauszug befindet, dürfte es sich bei dieser Bestrafung um die einzige Eintragung handeln; träfe dies zu, wäre sie entgegen der Anklage und d...