3.1 Grundsätzliches
Anspruchsberechtigt auf Kindergeld kann ein Elternteil auch ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sein, wenn er entweder
- nach § 1 Abs. 2 EStG der erweiterten unbeschränkten ESt-Pflicht unterliegt oder
- nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird (= fiktive unbeschränkte Steuerpflicht).
3.2 Erweiterte unbeschränkte ESt-Pflicht
Zu dem Personenkreis, der aufgrund der Bestimmung von § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG der erweiterten unbeschränkten ESt-Pflicht unterliegt, gehören
- im Ausland wohnende
- deutsche Staatsangehörige, die
- als Beamte, Richter, Soldaten oder Arbeitnehmer
- zu einer inländischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen
und
- dafür Arbeitslohn
- aus einer inländischen öffentlichen Kasse oder von einer inländischen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft beziehen.
Weiter zählen zu dem Personenkreis, der der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt,
- Angehörige, die
- zum Haushalt einer Person gehören, die die o. g. Voraussetzungen erfüllt und
- die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder
- keine Einkünfte bzw. nur im Inland steuerpflichtige Einkünfte beziehen.
Im Wesentlichen gehören zum o. g. Personenkreis
- Mitglieder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung und
- deren zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige;
- Auslandslehrkräfte nur dann, wenn sie in den USA, Kolumbien oder Ecuador tätig sind. Ist die Auslandslehrkraft in einem anderen Staat tätig, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG vorliegen.
3.3 Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht
Kindergeldanspruchsberechtigt sind nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG auch Personen, die ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden.
Um den Antrag auf Behandlung als fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtiger stellen zu können, müssen die Betroffenen folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Erzielung von inländischen Einkünften i. S. v. § 49 EStG.
- Die inländischen Einkünfte müssen weitaus überwiegen – die der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte betragen mindestens 90 % der gesamten in- und ausländischen Einkünfte – oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen.
- Die Höhe der ausländischen Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde nachzuweisen.
Ist ein Arbeitnehmer in die Steuerklasse II, III, IV oder V eingereiht, kann ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden, dass er unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder auf Antrag so behandelt wird. Die Feststellungen des Finanzamts zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht sind für das Kindergeldverfahren grundsätzlich bindend.
Allerdings ist Voraussetzung für die Anwendung von § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, dass der Anspruchsteller beim Finanzamt aufgrund eines entsprechenden Antrags als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt wird. Es reicht nicht aus, wenn lediglich die objektiven Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 EStG erfüllt sind und das Finanzamt – rechtsfehlerhaft – eine Veranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtiger nach § 1 Abs. 1 EStG durchgeführt hatte.
Der Einkommensteuerbescheid mit der Anwendung von § 1 Abs. 3 EStG ist maßgebend, soweit er nicht auf falschen Angaben des Steuerpflichtigen beruht. Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid materiell-rechtliche Fehler aufweist.
Monatsprinzip:
Der Anspruch auf Kindergeld besteht nur für die Monate, in denen der Steuerpflichtige inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielt hat und nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagt worden ist.
Antrag beim Finanzamt stellen
In den Fällen, in denen die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 EStG objektiv vorliegen, muss beim Finanzamt der Antrag auf Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger gestellt werden. Es reicht nicht aus, wenn das Finanzamt tatsächlich eine Veranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtiger nach § 1 Abs. 1 EStG durchführt.
Die Kindergeld-Festsetzung erfolgt zunächst im Rahmen einer Prognoseentscheidung.
Nach Ablauf des Kalenderjahres hat die Familienkasse zu prüfen, ob die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 EStG tatsächlich vorlagen (z. B. Vorlage des ESt-Bescheids) und in welchen Monaten der Berechtigte tatsächlich inländische Einkünfte erzielte.