Leitsatz
Ein Kind, welches sich um einen Ausbildungs-/Studienplatz bewirbt, ist beginnend mit dem Zeitpunkt der Bewerbung mindestens bis zum Zeitpunkt des nächstmöglichen Ausbildungs-/Studienbeginns zu berücksichtigen und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsstelle angetreten oder der Studienplatz angenommen wird. Das gilt jedenfalls so lange, wie sich die Bemühungen als ernsthaft darstellen. Die Ablehnung eines angebotenen Ausbildungs-/Studien-platzes ist nicht gleichbedeutend mit der Beendigung der Erfüllung des § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG.
Sachverhalt
Der Kläger ist Vater einer im Jahre 1987 geborenen Tochter, die sich bei mehreren Universitäten/Fachhochschulen um einen Studienplatz für das Wintersemester 2009/2010 beworben hat. Obwohl die Tochter 3 Zulassungsbescheide erhielt, hat sie von August bis Dezember 2009 eine Aushilfsstelle angenommen und nach einem Praktikum am 1.3.2011 ein Studium begonnen. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab August 2009 auf, da die Tochter ein Studium hätte beginnen können. Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, dass die Tochter die zugesagten Studienplätze zum 1.8.2009 hätte annehmen müssen. Da zu diesem Zeitpunkt noch 13 Bewerbungen bestanden, habe die Tochter gehofft, im Hinblick auf die noch ausstehenden Bewerbungen an den von ihr favorisierten Universitäten einen positiven Bescheid zu erhalten.
Entscheidung
Das FG vertritt, wie das FG Münster im Urteil v. 1.6.2011 (EFG 2011, 1633), grundsätzlich die Auffassung, dass für den Fall, dass der späte Ausbildungsbeginn nicht auf fremdbestimmten Gründen beruht, - jedenfalls zunächst - eine hinreichenden Ausbildungswilligkeit fehlt. Die Entscheidung wird damit begründet, dass das Kind es letztlich in der Hand hätte, sich die Kindergeldberechtigung durch bewusstes Überspringen von Ausbildungsterminen möglichst lange zu sichern. Dies führt jedoch im Streitfall nicht dazu, dass die Ausbildungswilligkeit bereits mit der Ablehnung des ersten angebotenen Studienplatzes zu verneinen ist. Zu berücksichtigen ist, dass auch bei Ablehnung eines Studienplatzes die Ausbildungswilligkeit zumindest solange fortbesteht, bis die letzte Ablehnung der Bewerbung erfolgt bzw. der zugesagte Studienplatz mit Beginn des Semesters endgültig nicht angenommen wird. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Tochter bis Oktober 2009 als ausbildungswillig anzusehen ist und erst die Nichtannahme des angebotenen Jura-Studienplatzes dazu führt, dass sie ihre Ausbildungswilligkeit ab November 2009 erneut unter Beweis stellen muss.
Hinweis
Die vom FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. XI R 14/12 geführt. In vergleichbaren Fällen sollte daher Einspruch gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung eingelegt und das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragt werden.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 08.02.2012, 9 K 49/10