Leitsatz
1. Wird ein Kind nach Abschluss seiner Schulausbildung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und zum Feldwebelanwärter zugelassen, ist seine erstmalige Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG mit Bestehen der Feldwebelprüfung abgeschlossen. Ob das Kind darüber hinaus das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten anstrebt, ist insoweit ohne Bedeutung.
2. Der Begriff des Ausbildungsdienstverhältnisses in § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG entspricht vorbehaltlich etwaiger Abweichungen, die sich aus den unterschiedlichen Zielsetzungen ergeben können, dem Begriff des Ausbildungsdienstverhältnisses im Lohnsteuerrecht.
3. Die nach dem Erwerb der Laufbahnbefähigung in der Bundeswehr üblichen Verwendungslehrgänge im Rahmen der Tätigkeit als Zeitsoldat machen das Dienstverhältnis nicht zu einem Ausbildungsdienstverhältnis.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG
Sachverhalt
Der Sohn des Klägers verpflichtete sich nach dem Abitur für zwölf Jahre bei der Bundeswehr. Er wurde Ende 2008 als Soldat auf Zeit zum Feldwebelanwärter zugelassen und nach Bestehen der Feldwebelprüfung 2011 zum Feldwebel ernannt. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich im Juni 2020 enden. Von Januar 2012 bis Oktober 2013 gehörte er einem Fallschirmjägerbataillon an und absolvierte durchgängig verschiedene Aus- und Weiterbildungen.
Den Antrag des Klägers auf Kindergeld ab Januar 2012 (= Wegfall der Einkünftegrenze) lehnte die Familienkasse ab.
Das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.10.2014, 5 K 2260/13, Haufe-Index 7560225, EFG 2015, 417) gab der Klage statt. Die Ausbildung für einen Beruf umfasse auch Ausbildungsmaßnahmen, die geeignet seien, die berufliche Stellung des Kindes zu verbessern. Dies schließe Weiterbildungsmaßnahmen ein. Der Sohn des Klägers habe die angestrebte Übernahme als Berufssoldat noch nicht erreicht. Die von ihm durchlaufenen Ausbildungsmaßnahmen dienten dazu, den Anforderungen für die Teilnahme an dem Auswahlverfahren für Berufssoldaten bestmöglich gerecht zu werden und seien faktisch Voraussetzung für die erfolgreiche Teilnahme am Auswahlverfahren.
Entscheidung
Der BFH ließ dahingestellt, ob es sich bei den absolvierten Lehrgängen um eine Berufsausbildung handelte. Da die Erstausbildung mit Bestehen der Feldwebelprüfung abgeschlossen war und seitdem kein Ausbildungsdienstverhältnis vorlag, hob er das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.
Hinweis
1. Ein Kind wird nach Vollendung des 18. Lebensjahres berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird, nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums indessen nur, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind unschädlich.
2. Der erste berufsqualifizierende Abschluss führt ausnahmsweise nicht zum "Verbrauch" derErstausbildung, wenn eine mehraktige Ausbildung absolviert wird und ein nachfolgender Abschluss sich zusammen mit dem ersten Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (BFH, Urteil vom 3.7.2014, III R 52/13, BFH/NV 2014, 1941, BFH/PR 2015, 19, betr. duales Studium).
Die Erstausbildung war danach hier mit der bestandenen Feldwebelprüfung beendet, denn die angestrebte Übernahme als Berufssoldat setzte keinen weiterführenden Abschluss voraus.
3. Ein Ausbildungsdienstverhältnis ist nach der BFH-Rechtsprechung zum Lohnsteuerrecht durch den Ausbildungszweck geprägt, sein Gegenstand und Ziel ist die Ausbildungsmaßnahme selbst. Diese Rspr. bindet zwar nicht bei Entscheidungen über das Kindergeldrecht, da sie Werbungskosten und damit das objektive Nettoprinzips betrifft, während der Familienleistungsausgleich das subjektive Nettoprinzip verwirklicht. Der BFH legt den Begriff aber einheitlich aus.
Ein juristisches oder Lehramtsreferendariat zählt daher ebenso zu den Ausbildungsdienstverhältnissen wie das Studium eines dafür freigestellten Offiziers, nicht aber die übliche Fortbildung während eines Beschäftigungsverhältnisses oder Maßnahmen, die der weiteren Qualifizierung für besondere Aufgaben dienen (hier: Verwendungslehrgänge eines Feldwebels).
4. Wegen der bis 2011 geltenden Einkünftegrenze hatte der BFH bisher kaum Gelegenheit, sich zur Abgrenzung von "normalen" und Ausbildungsdienstverhältnissen zu äußern.
Ob die Tätigkeit von Volontären, Trainees oder bezahlten Praktikanten als Ausbildung zu beurteilen ist, hängt davon ab, ob der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht oder es sich um ein (gering bezahltes) Arbeitsverhältnis handelt (z.B. BFH, Urteil vom 26.8.2010, III R 88/08, BFH/NV 2011, 26)...