Leitsatz
Ein Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG wegen der Unfähigkeit des volljährigen Kindes, sich aufgrund seiner Behinderung selbst zu unterhalten, besteht nicht, wenn die Behinderung nicht ursächlich für die Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche ist.
Sachverhalt
Die im Jahr 1977 geborene Tochter der Klägerin ist aufgrund ihrer Schwerbehinderung (linksseitige Lähmung; GdB 50) nicht in der Lage körperlich zu arbeiten. Die Familienkasse hat die Gewährung von Kindergeld abgelehnt, weil die Tochter nicht auf Dauer außer Stande sei sich selbst zu unterhalten. Sie sei unter Beachtung ihrer Behinderung für eine Arbeit vermittelbar und daher nicht auf Dauer gehindert, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, dass die Tochter wegen ihrer behinderungsbedingten Unfähigkeit körperlich zu arbeiten große Schwierigkeiten bei der Arbeitsuche habe.
Entscheidung
Nach Vollendung des 27. Lebensjahres kommt als Grundlage für die Festsetzung des Kindergeldes allein § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in Betracht. Danach besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Frage, ob ein Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. etwa BFH, Urteil v. 26.8.2003, VIII R 58/99, BFH/NV 2004 S. 326) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Nach den Hinweisen in der DA-FamEStG kann grundsätzlich die Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ursächlich sein, wenn
- d as Merkmal "H" eingetragen ist oder
- der Grad der Behinderung 50 oder mehr beträgt und
- besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts ausgeschlossen erscheint.
Im Streitfall folgt das Gericht der Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit, wonach die Tochter unter Berücksichtigung der Leistungseinschränkungen leistungsfähig für die Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist. Die Behinderung der Tochter ist nach Auffassung des Gerichts nicht ursächlich für die Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche.
Hinweis
Nachdem die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin Erfolg hatte, muss der BFH nun im Verfahren III R 46/08 entscheiden, ob die Tochter wegen ihrer Behinderung (linksseitige Lähmung, GdB 50) außer Stande ist sich selbst zu unterhalten. In vergleichbaren Fällen sollte daher unter Hinweis auf das vorstehende Verfahren Einspruch eingelegt und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verwiesen werden.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.07.2007, 1 K 316/04