Leitsatz
§ 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB lässt sich keine pauschale dreijährige Unterhaltspflicht des Kindesvaters gegenüber der das gemeinsame Kind betreuenden Mutter entnehmen, wenn diese das Kind nicht allein, sondern mit dem Kindesvater gemeinschaftlich betreut hat.
Sachverhalt
Die Familienkasse (FK) hob die Kindergeldfestsetzung zu Gunsten der Klägerin für deren Tochter auf, da die Tochter mit dem Vater ihres Kindes (Enkelkind der Klägerin) in einem gemeinsamen Haushalt lebe, und dieser über ein hohes Einkommen verfüge, entfalle die Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber ihrer Tochter und damit auch deren Kindergeldanspruch. Zudem habe die Tochter über Einkünfte und Bezüge verfügt, welche den maßgeblichen Grenzbetrag bei weitem überschritten hätten. Es sei zu unterstellen, dass sich die Kindeseltern das zur Verfügung stehende Einkommen geteilt hätten, weshalb der Tochter als Unterhaltsleistungen des Kindesvaters 17.757,39 EUR zuzurechnen seien. Mit ihrer Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, sie sei ihrer Tochter auch im Streitjahr 2006 zum Unterhalt verpflichtet gewesen, da diese sich in ihrer ersten Berufsausbildung befunden und eigenes Einkommen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs nicht in ausreichender Höhe zur Verfügung gestanden habe.
Entscheidung
Die Klage ist begründet. Die Tochter der Klägerin verfügte über keine höheren Einkünfte und Bezüge als 7.680 EUR. Ihr ist insbesondere nicht als Bezug im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater ihres eigenen Kindes zuzurechnen. Eine pauschale dreijährige Unterhaltspflicht des Kindesvaters gegenüber der Kindesmutter lässt sich § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB nicht entnehmen. Der Kindesvater sollte durch die Regelung in § 1615 I BGB mehr in die Verantwortung dafür einbezogen werden, dass sein Kind in den ersten 3 Lebensjahren in den Genuss der persönlichen Betreuung durch die Kindesmutter kommt, die durch den Unterhaltsanspruch sichergestellt wird. Entscheidend für den Gesetzgeber war die Sicherstellung der Vollbetreuung des Kindes durch die Mutter. Im Falle der hier vorliegenden gemeinschaftlichen Kinderbetreuung durch die nicht miteinander verheirateten Kindeseltern sieht das Gesetz keine gegenseitige Unterhaltsverpflichtung vor.
Hinweis
Die von dem FG zugelassene Revision wurde eingelegt. In dem Verfahren XI R 14/13 muss der BFH nun die Frage klären, ob im Fall einer gemeinschaftlichen Kinderbetreuung durch die nicht miteinander verheirateten Kindeseltern eine gegenseitige Unterhaltsverpflichtung gemäß § 1615l BGB vorliegt, und ob ggf. ein fiktiver Unterhalt des Kindesvaters bei der Berechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge der sich in Ausbildung befindenden Kindesmutter zu berücksichtigen ist.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.03.2013, 10 K 10353/08