Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Leistungen der Gasteltern für eine Au-pair-Tätigkeit des Kindes sind Bezüge i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Soweit diese in freier Unterkunft und Verpflegung bestehen, sind sie nach der Sachbezugsverordnung zu bewerten.
2. Anforderungen für erhöhten Lebensbedarf wegen einer auswärtigen Unterbringung (Miete und Verpflegungsmehraufwendungen) des ledigen Auszubildenden können nicht entsprechend R 43 Abs. 5 LStR 1999 unter dem Gesichtspunkt einer zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung als ausbildungsbedingter Mehrbedarf abgezogen werden.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 EStG , § 1 SachBezV , § 3 SachBezV
Sachverhalt
Die Tochter der Klägerin hielt sich von Januar bis Dezember 1999 im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses in den USA (New York) auf. Dort besuchte sie an drei Tagen in der Woche einen Sprachkurs. Der Sprachunterricht umfasste mindestens zehn Wochenstunden.
Während ihres Au-pair-Aufenthalts erhielt die Tochter freie Kost und Unterkunft sowie ein Taschengeld in Höhe von 139 $ pro Woche. Der Beklagte hob die Kindergeldfestsetzung ab Januar 1999 auf, weil die Einkünfte und Bezüge der Tochter den Jahresgrenzbetrag überstiegen hätten. Das FG gab der Klage statt; von den Bezügen der Tochter sei ein ausbildungsbedingter Mehrbedarf in Höhe der für ledige Arbeitnehmer mit quasi-doppelter Haushaltsführung geltenden Auslandstagegeldern abzuziehen. Damit sei der Jahresgrenzbetrag unterschritten.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Zwar könne ein Au-pair-Aufenthalt bei hinreichendem Sprachunterricht Berufsausbildung sein; Kindergeld sei der Klägerin aber deshalb nicht zu gewähren, weil der Wert der Leistungen der Gasteltern den Jahresgrenzbetrag überstiegen hätten. Die Leistungen seien Bezüge im Sinn von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG; die freie Unterkunft und Verpflegung seien mit den Werten der Sachbezugsverordnung anzusetzen; wie das Kindergeld umzurechnen sei, könne im Streitfall offen bleiben. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung seien keine ausbildungsbedingten Mehraufwendungen; sie könnten auch nicht wie Mehraufwendungen bei quasi-doppelter Haushaltsführung abgezogen werden.
Hinweis
Auch ein Au-pair-Aufenthalt kann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Unterricht hinreichend gründliche sprachliche Kenntnisse vermittelt und grundsätzlich wöchentlich mindestens zehn Wochenstunden umfasst (BFH, Urteil vom 19.2.2002, VIII R 83/00, BFH-PR, 288). Kindergeld wird jedoch auch in diesem Fall nur gewährt, wenn die "Einkünfte und Bezüge" des Kindes den jeweiligen Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschreiten.
Da die Leistungen der Gasteltern im Au-pair-Verhältnis nicht zu den Einkünften gehören, musste der BFH die Frage beantworten, ob sie zu den Bezügen im Sinn dieser Vorschrift gehören. Das hat er bejaht, sah sich aber nun vor die weitere Frage gestellt, wie diese Bezüge zu bewerten sind.
Die Antwort hierauf hätte er sich ersparen können, wenn die Bezüge in der angesetzten Höhe als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen wieder hätten abgezogen werden können. Das aber ist weder bei den Kosten für Unterhalt und Verpflegung noch für das regelmäßig zusätzlich gezahlte Taschengeld der Fall. Zwar hat die Rechtsprechung für den Fall, dass ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer kostenlos Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung stellt und dieser als Verheirateter einen doppelten oder als Lediger einen quasi-doppelten Haushalt führt, eine solche Verrechnung der Sachbezüge mit den Werbungskosten unter dem Gesichtspunkt von "ersparten Aufwendungen" zugelassen (BFH, Urteil vom 5.10.1994, VI R 62/90, BStBI II 1995, 180 unter 7. der Gründe; von Bomhaupt in Kirchhoff/Söhn, EStG, § 9 Randnr. B 24); diese Rechtsprechung kann jedoch auf die ausbildungsbedingten Mehraufwendungen nicht übertragen werden.
Der Grund liegt darin, dass die Aufwendungen der Eltern für den Lebensunterhalt der Kinder typischerweise – und auch bei einer auswärtigen Ausbildung – bereits bei der Ausgestaltung des Jahresgrenzbetrags berücksichtigt sind (BFH, Urteil vom 14.11.2000, VI R 128/00, BStBI II 2001, 495); sie können deshalb nicht nochmals bei den Einkünften oder Bezügen des Kindes berücksichtigt werden.
Die Bewertung der Unterkunft und Verpflegung ist nach der Sachbezugsverordnung vorzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass dies nach der typisierenden Betrachtung des BFH unabhängig davon gilt, in welchem Land die Gasteltern wohnen, also auch dann, wenn die für diese Sachbezüge anfallenden Kosten im Ausland höher sind als im Inland (ggf. aber Minderung entsprechend der Ländergruppen-Einteilung, BMF vom 26.10.2000, BStBI 1 2000, 1502 und dazu DA-FamEStG, TZ 63.4.2.11, BStBI 1 2002, 366).
Ob diese Umrechung 1:1 auch für das gewährte Taschengeld gilt, hat der BFH im vorliegenden Fall offen gelassen; diese Umrechung liegt jedoch nahe, da das Taschengeld regelmäßig den Betrag nicht übersteigen wird, der zur Deckung der täglichen Bedürfnisse des Kindes erforderlich ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.05.20...