Leitsatz
Die Behinderung eines Kindes (GdB von 100 und Mz. H und Bl), das ALG II bezieht und dessen behinderungsbedingter Mehrbedarf durch das Blindengeld abgedeckt ist, ist für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt nicht i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ursächlich, wenn es trotz seiner Behinderung in der Lage ist, eine vollschichtige Berufstätigkeit auszuüben, und die Ursache für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vielmehr in der Geburten eigener Kinder liegt.
Sachverhalt
Im Streitfall hatte die Familienkasse (FK) die Gewährung von Kindergeld für die nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG Abzweigungsberechtigte Klägerin abgelehnt, weil die Behinderung der Klägerin nach den vorliegenden Unterlagen nicht ursächlich dafür sei, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten könne. Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, die Tatsache des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II schließe eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BFH müsse die Behinderung nicht die alleinige Ursache dafür sein, dass ein Kind außerstande sei, sich selbst zu unterhalten.
Entscheidung
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen, da es an der notwendigen Ursächlichkeit der Behinderung für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt fehlt. Nach Auffassung des FG ist unter Berücksichtigung aller im Streitfall maßgeblichen Gesichtspunkte nicht die Behinderung der Klägerin alleine, sondern die durch die Geburten und Erziehungszeiten bedingte vorzeitigte Beendigung der Schulausbildung als maßgebliche Ursache und damit die die Behinderung überlagernde Ursache für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt anzusehen. Aus diesem Grund kann die Frage, ob eine (erhebliche) Mitursächlichkeit der Behinderung im Streitzeitraum bereits deshalb ausscheidet, weil die Klägerin im Februar 2010 und Februar 2011 Kinder geboren hat, und damit im Streitzeitraum das Mutterschutzgesetz (MuSchG) greift, und weil sich die Klägerin ferner in Elternzeit befand und Elterngeld nach dem BEEG bezogen hat, dahingestellt bleiben.
Hinweis
Da die Frage, welche Anforderungen an die Feststellung der Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt zu stellen sind für die Fälle eines GdB von 100 und des Mz H, sowie der Beurteilung auf der Grundlage fiktiver Erwerbstätigkeiten grundsätzliche Bedeutung hat, hat das FG die Revision zugelassen. In dem Verfahren III R 31/13 muss nun der BFH entscheiden. In vergleichbaren Fällen sollten daher Betroffene gegen die Ablehnung des Kindergeldantrags unter Hinweis auf das vorstehende Revisionsverfahren Einspruch einlegen, und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 23.05.2013, 14 K 2164/11 Kg