Leitsatz
1. Eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Form eines Hochschulstudiums beginnt nicht schon mit der Bewerbung für dieses Studium, wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt werden.
2. Die Beendigung eines Hochschulstudiums setzt grundsätzlich voraus, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat und dass dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse bekannt gegeben worden sind.
3. Die Bekanntgabe erfordert regelmäßig, dass das Kind entweder eine schriftliche Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss und die erzielten Abschlussnoten erhalten hat oder jedenfalls objektiv in der Lage war, eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Entscheidend ist, welches Ereignis früher eingetreten ist.
4. Eine Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG kann nicht dadurch begründet werden, dass sich ein Kind um eine Ausbildung bemüht und später diese beginnt.
Normenkette
§ 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b und c EStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist Mutter der Tochter A, die an einer Hochschule im Masterstudiengang "Management" eingeschrieben war. Nachdem ihr der erfolgreiche Abschluss zunächst mündlich mitgeteilt worden war, stellte die Hochschule den Abschluss und die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online. Die Zeugnisse holte A Ende November 2016 persönlich im Prüfungsamt ab.
Ab April 2017 war A für ein weiteres Bachelorstudium an einer technischen Universität eingeschrieben, für das sie sich im März 2017 beworben hatte.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für November 2016 bis Februar 2017 auf.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (Sächsisches FG, Urteil vom 7.6.2019, 1 K 1559/17 (Kg), Haufe-Index 13475470).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück, da A sich im November 2016 nicht mehr in Ausbildung befunden hatte und zwischen dem Ende des Masterstudiums im Oktober 2016 und dem Beginn des Bachelorstudiums im April 2017 mehr als vier Monate lagen.
Hinweis
Streitig war die Berücksichtigung eines Kindes zwischen 18 und 25 Jahren wegen Berufsausbildung und einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens vier Monaten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b EStG). Der Inhalt der Entscheidung ergibt sich fast vollständig aus den Leitsätzen:
1. Ein Hochschulstudium beginnt nicht bereits mit der Bewerbung, sondern erst mit den Ausbildungsmaßnahmen. Es endet, wenn die letzte erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht wurde und sämtliche Prüfungsergebnisse bekannt gegeben worden sind. Die Bekanntgabe erfordert regelmäßig entweder eine schriftliche Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss und die Abschlussnoten oder die Möglichkeit, selbst eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule zu erstellen. Maßgebend ist, was früher eingetreten ist.
Eine mündliche Mitteilung der Prüfungsergebnisse ist regelmäßig nicht ausreichend. Die Aushändigung des Zeugnisses oder die Exmatrikulation sind, weil sie oftmals von einem Antrag des Kindes abhängen und damit zeitlich gesteuert werden können, regelmäßig unerheblich.
Ausnahmen sind möglich: Das Ausbildungsende tritt auch ein, wenn das Kind bereits vor Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses eine Vollzeiterwerbstätigkeit in einem mit dem Studium angestrebten Beruf aufnimmt. Das Hochschulstudium kann umgekehrt trotz Erreichens des Studienziels und der Möglichkeit, eine schriftliche Bestätigung über den Abschluss und die Abschlussnoten zu erhalten, fortgesetzt werden, wenn das Kind z.B. zur Notenverbesserung an weiteren Lehrveranstaltungen und/oder Prüfungen teilnimmt.
2. Eine Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten endet nicht bereits mit der Bewerbung für den nächsten Ausbildungsabschnitt, sondern erst mit dem Beginn der entsprechenden Ausbildungsmaßnahmen; auch insoweit gilt, dass die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz der Ausbildung selbst nicht gleichzusetzen ist. Wird die maximal vier volle Monate umfassende Dauer der Übergangsfrist überschritten, scheidet eine Berücksichtigung des Kindes auch für die ersten vier Monate aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.7.2021 – III R 40/19