Leitsatz

Der Anspruch auf Kindergeld setzt nicht voraus, dass sich der Kindergeldberechtigte in einer "typischen Unterhaltssituation" befindet. Nach der ab 2012 geltenden Regelung kommt es für das Kindergeld nicht mehr auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge an. Leistungen des Ehegatten des Kindes oder des Vaters des Kindeskindes, welche aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht erbracht werden, sind daher für den Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld nicht mehr relevant.

 

Sachverhalt

Die Tochter des Klägers ist Mutter eines im Januar 2011 geborenen Kindes. Ab März 2012 absolvierte die Tochter ein Praktikum. Der Antrag des Klägers, ab März 2012 Kindergeld festzusetzen, wurde von der Familienkasse (FK) mit der Begründung abgelehnt, dass der Tochter des Klägers gegen den Vater ihres Kindes ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1615 l BGB zustehe. Mit seiner Klage vertritt der Kläger die Auffassung, dass ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1615 l BGB dann nicht bestehe, wenn die Mutter des Kindes nicht wegen der Betreuung des Kindes, sondern wegen der Durchführung eines Studiums an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert sei. Zudem seien die Unterhaltsleistungen des Kindesvaters allenfalls als Bezüge der Tochter des Klägers zu berücksichtigen. Da es ab 2012 nicht mehr auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge ankomme, sei Kindergeld zu gewähren.

 

Entscheidung

Die zulässige Klage ist begründet. Nach der seit 2012 geltenden Regelung kommt es gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG für die Festsetzung von Kindergeld auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mehr an. Kindergeld ist nunmehr bei Vorliegen eines Berücksichtigungstatbestandes unabhängig von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes zu gewähren. Damit hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass Kindergeld auch dann zu gewähren ist, wenn dem Kind unabhängig von dem Elternunterhalt ausreichende Mittel zur Bestreitung des Unterhaltes zur Verfügung stehen. Auf die Höhe eines Unterhaltsanspruches nach § 1615 l BGB kommt es daher ab 2012 ebenso wenig an wie auf die Höhe der Ausbildungsvergütung. Die anderslautende Anweisung in der DA FamEStG (DA 3.2.2) ist rechtswidrig.

 

Hinweis

Die vom FG zugelassene Revision wurde von der FK eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. VI R 60/13 geführt. Da die FK an die Anweisungen in der DAFamEStG gebunden sind, werden sie in vergleichbaren Fällen die Gewährung des Kindergeldes ablehnen. Betroffene sollten daher bei gleich gelagerten Sachverhalten gegen die Ablehnungsbescheide Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das vorstehend genannte Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragen. Auch das Niedersächsische FG hat mit Urteil v. 22.8.2013, 6 K 187/13 zu Gunsten der Kindergeldberechtigten entschieden. Das Az. der Revision lautet hierzu XI R 39/13. Das FG München hat mit Urteil v. 20.2.2013, 9 K 3405/12 ebenfalls zu Gunsten der Kindergeldberechtigten entschieden. Das Az. der Revision lautet hierzu III R 33/13. Sowohl der III. als auch der XI. Senat des BFH haben daher in den vorstehenden Verfahren die Frage zu prüfen, ob nach dem Wegfall der Prüfung eigener Einkünfte und Bezüge ab dem 1.1.2012 das seitens des BFH aufgestellte Erfordernis einer typischen Unterhaltssituation für den Anspruch auf Kindergeld für verheiratete volljährige Kinder entfallen ist.

 

Link zur Entscheidung

Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 25.07.2013, 1 K 16/13

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