Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Nehmen die Betreuer eines Kinderheims ihre Mahlzeiten unentgeltlich und gemeinsam mit den Kindern ein, liegt darin kein geldwerter Vorteil. Es überwiegen die Erziehungsaspekte der gemeinsamen Mahlzeiten, urteilte das FG Schleswig-Holstein.
Sachverhalt
Ein Kinderheim beschäftigte mehrere Betreuer, die während ihrer Arbeitszeiten verpflichtet waren, ihre Mahlzeiten gemeinsam mit den Kindern einzunehmen. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die unentgeltliche Mahlzeitengewährung als Arbeitslohn zu versteuern sei. Das Kinderheim sollte eine pauschale Lohnsteuer von 6.275 EUR nachentrichten.
Entscheidung
Das FG urteilte, dass die unentgeltliche Mahlzeitengestellung kein lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn ist. Eine Vorteilsgewährung des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer führt nur dann zu Arbeitslohn, wenn darin eine Entlohnung für die bereitgestellte Arbeitskraft zu sehen ist. Demgegenüber sind Vorteile nicht als Arbeitslohn anzusehen, die lediglich eine sogenannte notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen sind. Liegt ein Vorteil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers, fällt daher keine Lohnsteuer an.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die unentgeltliche Mahlzeitengestellung im Urteilsfall lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung einzuordnen. Denn die Mahlzeitengestellung an die Betreuer bezweckte, dass die Kinder während der Mahlzeiten beaufsichtigt werden. Insbesondere konnten die Betreuer so darauf achten, dass alle Kinder genug essen, die Tischsitten einhalten, keinen Streit anstiften und ihrer Pflichten (Tisch decken, abräumen etc.) erledigen. Hinzu kam, dass die gemeinsamen Mahlzeiten auch eine pädagogische Funktion hatten. Denn das Kinderheim wollte den Kindern eine Betreuung bieten, die möglichst nahe an die familiären Alltagsstrukturen heranreicht. Hierzu gehörte auch die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten. Angesichts dieser betrieblichen Gründe tritt der Vorteil, der den Betreuern durch die kostenlose Verpflegung zukam, in den Hintergrund. Da der Arbeitgeber die gemeinsame Essenseinnahme arbeitsvertraglich vorgeschrieben hatte, kam den Betreuern allenfalls eine aufgedrängte Bereicherung zu. Die pädagogischen Gründe für die gemeinsame Mahlzeiteneinnahme traten nach Ansicht des FG auch durch den Umstand zutage, dass nur die Betreuer an den Mahlzeiten teilnehmen sollten, nicht aber das übrige Personal des Kinderheims.
Hinweis
Der BFH hat bereits mit Urteil v. 28.2.1975 (VI R 28/73) entschieden, dass die kostenlose Verpflegung und Beherbergung von Betreuern in einem Ferienlager eines Wohlfahrtverbands ebenfalls kein Arbeitslohn ist.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 23.01.2012, 5 K 64/11