Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger kann auch dann die Kinderzulage nach § 9 Abs. 5 Satz 2 EigZulG beanspruchen, wenn das Kind zu Studienzwecken auswärtig untergebracht ist, aber am Studienort keinen unabhängigen Haushalt führt und regelmäßig an Wochenenden und in den Semesterferien in die elterliche Wohnung zurückkehrt, in der ihm weiterhin ein Zimmer zur Verfügung steht.
Normenkette
§ 9 Abs. 5 Satz 2 EigZulG
Sachverhalt
Die Eltern erwarben im März 1997 eine Eigentumswohnung in F, die sie seit April 1997 ihrem dort studierenden Sohn S unentgeltlich überließen. S studierte vorher in einer anderen Stadt.
Das FA versagte die Kinderzulage mit der Begründung, S habe nicht mehr zum elterlichen Haushalt gehört.
Das FG gewährte die Zulage. Denn die Wohnung in F sei wegen der häufigen Anwesenheit des S in der elterlichen Wohnung – und auch wegen der Aufenthalte der Eltern in der Wohnung in F – Teil eines aufgespaltenen Familienhaushalts.
Entscheidung
Dem stimmte der Senat zu. Die Haushaltszugehörigkeit entstehe aus dem Zusammenwirken örtlicher Gegebenheiten sowie materieller und immaterieller Faktoren: Voraussetzung sei zum einen eine Familienwohnung (Nutzung durch die Haushaltsangehörigen), zum anderen die materielle Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Haushaltsangehörigen und ferner das Bestehen familiärer Bindungen.
Diese Merkmale sieht der Senat im Allgemeinen bei einem auswärts studierenden Kind, das keinen (unabhängigen) Haushalt führt, sondern regelmäßig in die elterliche Wohnung zurückkehrt und dort noch versorgt wird, als gegeben an.
Hinweis
Die Kinderzulage setzt nach § 9 Abs. 5 Satz 2 EigZulG voraus, dass das Kind im Förderzeitraum zum inländischen Haushalt des Anspruchsberechtigten gehört oder gehört hat.
In dieser – erst nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung freigegebenen Entscheidung – präzisiert der Senat das Merkmal der Haushaltszugehörigkeit bei einem auswärts studierenden Kind, dem eine von den Eltern angeschaffte Eigentumswohnung unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen wird.
Bei in Berufsausbildung befindlichen, auswärtig untergebrachten Kindern fehlt die Haushaltszugehörigkeit, wenn sie räumlich und hauswirtschaftlich aus dem elterlichen Haushalt ausgegliedert sind. Das ist dann der Fall, wenn sie außerhalb des elterlichen Haushalts wohnen und verpflegt werden.
Auch bei auswärtiger Unterbringung besteht aber die Haushaltszugehörigkeit fort, wenn das Kind auswärts keinen eigenen (unabhängigen) Haushalt führt, sondern regelmäßig (an den Wochenenden und z.B. in den Semesterferien) in die elterliche Wohnung zurückkehrt, wo es weiterhin ein Zimmer zur Verfügung hat und regelmäßig und intensiv versorgt wird. Für das Fehlen eines eigenen Haushalts kann auch der häufige Aufenthalt der Eltern in der Wohnung des Kindes sprechen.
Unter diesen Voraussetzungen gehört ein Kind weiterhin zum elterlichen Haushalt. Zu beachten ist, dass es sich bei der Abwägung dieser Momente immer um eine Einzelfallwürdigung handelt.
Nachprüfbare Unterlagen über die familiären Bindungen, die wirtschaftliche Abhängigkeit und die Verfolgung eigener Interessen des Kindes in der Freizeit am Wohnort der Eltern sind daher zweckmäßig. Da es sich um eine tatrichterliche Würdigung handelt, müssen diese Umstände im FG-Verfahren möglichst eingehend dargelegt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.4.2002, IX R 52/99