Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
In Zweifelsfällen muss das Finanzamt den Kleinunternehmer fragen, welche Besteuerungsform er anwenden will. Zwar hat der Steuerpflichtige durch Abgabe der Jahressteuererklärung 2016 mit Berechnung der Umsatzsteuer nach Allgemeinregeln konkludent auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet, jedoch war dieser Verzicht nicht geeignet, erneut die fünfjährige Bindungswirkung des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG auszulösen.
Sachverhalt
Im Gründungsjahr 2006 optierte der Kläger zur Regelbesteuerung und berechnete bis einschließlich 2016 die Umsatzsteuer nach der Regelbesteuerung. In den Jahren 2011 und 2012 erzielte er Bruttoumsätze oberhalb der Kleinunternehmergrenze von 17.500 EUR, ab 2013 unterhalb der Grenze von 17.500 EUR. Mit seiner am 25.10.2018 eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2017 beantragte der Kläger erstmalig den Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft. In den Rechnungen 2017 wies der Kläger unter Hinweis auf § 19 UStG jedoch keine Umsatzsteuer aus.
Nach Auffassung des Finanzamts war jedoch der Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft für 2017 nicht möglich, da der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre von der Option nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG Gebrauch gemacht habe und deshalb insoweit gebunden sei. Im Jahr 2016 habe er zwar nur Umsätze von 4.741 EUR erzielt, durch die Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung mit Ausweis von Umsätzen und Vorsteuern habe er jedoch wirksam zur Regelbesteuerung optiert. Hieran sei er fünf Jahre gebunden, so dass er frühestens ab dem 1.1.2021 zur Kleinunternehmerschaft wechseln könne.
Entscheidung
Das FG Münster hat dem Kläger rechtgegeben.
Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung erklären. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet dies den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 2 Satz 2 UStG). Ein Verzicht auf die Kleinunternehmer-Besteuerung kann dem Finanzamt gegenüber auch konkludent erklärt werden – zum Beispiel durch Abgabe einer für die Regelbesteuerung vorgesehenen Umsatzsteuererklärung, in der die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG berechnet und der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird. Bei der Würdigung des konkludenten Verhaltens kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Von ihnen hängt es ab, ob durch das Finanzamt der Inhalt einer Steuererklärung zweifelsfrei zugleich als Erklärung zur Ausübung des steuerrechtlichen Gestaltungsrechts aufgefasst werden darf oder ob dem Inhalt eine solche Bedeutung nicht zukommt. Das Finanzamt muss in Zweifelsfällen den Kleinunternehmer fragen, welche Besteuerungsform er anwenden will. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht angenommen werden.
Allein die Abgabe der Jahressteuererklärung 2016 mit Berechnung der Umsatzsteuer nach allgemeinen Regeln löst im Streitfall keine erneute fünfjährige Bindungsfrist für den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung aus, wenn die Frist nach einer erstmaligen Option bereits abgelaufen war. Denn sonst würde der optierende Kleinunternehmer, der zwischenzeitlich zeitweilig die Umsatzgrenzen des § 19 Abs. 1 UStG überschreitet, mit einem jeweils erneuten Beginn der Bindungsfrist bestraft. Hierfür gibt es jedoch keinen Grund.
Der Kläger hatte bereits erstmals im Gründungsjahr 2006 auf die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung verzichtet. Die hierdurch ausgelöste fünfjährige Bindungswirkung war bereits Ende 2010 ausgelaufen. Ab da bestand für den Kläger jährlich die Möglichkeit des Widerrufs des Verzichts auf die Steuerbefreiung. Einen Widerruf hat der Kläger jedoch erstmalig für das Streitjahr 2017 mit der Steuererklärung 2017 erklärt.
Dass der Kläger zwischenzeitlich wegen Überschreitung der Vorjahres-Umsatzgrenze von 17.500 EUR für 2012 und 2013 kein Kleinunternehmer mehr war (und ihm deshalb in diesem Zeitraum keine Option zur Regelbesteuerung bzw. kein Widerrufsrecht zustand), führt entgegen der Auffassung des Finanzamts nicht dazu, dass nach erneutem Eintritt der Kleinunternehmervoraussetzungen aufgrund der Abgabe von Umsatzsteuer-Jahreserklärungen ein Neubeginn der fünfjährigen Bindungsfrist angenommen werden kann.
Hinweis
Beim BFH ist insoweit die Revision anhängig, Az beim BFH XI R 34/19. Betroffene sollten sich auf dieses Verfahren berufen und ein Ruhen ihres eigenen Falles beantragen.
Zum 1.1.2020 wurde durch das "Dritte Bürokratieentlastungegesetz" für Kleinunternehmer die Vorjahres-Umsatzgrenze von 17.500 EUR auf 22.000 EUR angehoben. Kleinunternehmer können also bereits im Jahr 2019 (= Vorjahr) einen Umsatz bis 22.000 EUR erzielen und im Jahre 2020 dennoch die Anwendung der Kleinunternehmerregelung wählen (bei einem voraussichtlichen Umsatz von max. 50.000 EUR für 2020).
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 07.11.2019, 5 K 1768/19 U