Leitsatz
Der Anspruch auf Prozesszinsen für eine Steuererstattung setzt voraus, dass der Anspruch auf der Herabsetzung einer festgesetzten Steuer beruht. Erstattungen sind hingegen nicht zu verzinsen, wenn sie sich im Steuererhebungsverfahren ohne Änderung der Steuerfestsetzung ergeben.
Normenkette
§ 11 FGO; §§ 233, 236 Abs. 1 Satz 1 AO , * Leitsatz nicht amtlich
Sachverhalt
Eine GmbH hatte vor Gericht erstritten, dass eine Gewinnausschüttung einer Tochter-GmbH zuzurechnen sei. Dementsprechend waren der ausgeschüttete Gewinnanteil sowie die darauf entfallende anzurechnende KSt gem. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 EStG 1990, § 8 Abs. 1, § 49 Abs. 1 KStG 1984 als Einnahmen der Mutter erfasst und die KSt entsprechend höher festgesetzt worden. Durch die Anrechnung der Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer ergab sich für die Mutter aber ein Erstattungsanspruch, den die GmbH für die Zeit des mehrere Jahre anhängigen vorgenannten Rechtsstreits verzinst wissen wollte. Das FA lehnte das ab, weil die KSt durch das abschließende BFH-Urteil heraufgesetzt worden sei; nur durch die erstmalige bloße Anrechnung der Körperschaft- und Kapitalertragsteuer habe sich eine Steuererstattung ergeben.
Der deswegen angerufene I. Senat des BFH hält die Revision der GmbH gegen das klageabweisende Urteil des FG für begründet, erwägt aber, ob er nicht an dieser Entscheidung durch Urteile des VII. Senats gehindert ist, den er deshalb befragt hat, ob es dem Verzinsungsanspruch schade, dass die gegen die GmbH festgesetzte Steuer gerade nicht herab-, sondern wegen Erfassung der anzurechnenden Körperschaftsteuer als Einnahmen aus Kapitalvermögen heraufgesetzt wurde. Die Anrechnung dieser Steuer sei zwar unabhängig von der geänderten Feststellung des Einkommens und der Festsetzung der KSt ergangen; erst die Einbeziehung der Gewinnausschüttung und der anzurechnenden KSt habe aber die korrespondierende Anrechnung von Körperschaft- und Kapitalertragsteuer ermöglicht, so dass eine systematische Verknüpfung zwischen der Änderung der Steuerfestsetzung und der Anrechnung als eigentlichem Ziel des Rechtsschutzbegehrens bestehe.
Entscheidung
Der VII. Senat hat sich mit der Rechtsansicht des I. Senats nicht einverstanden erklärt und dem I. Senat mitgeteilt, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 236 AO festhalte.
Hinweis
1. Die eine Entscheidung eines obersten Gerichtshofs tragenden Rechtssätze sind für alle anderen obersten Gerichtshöfe bindend; diese müssen sie ihren Entscheidungen zugrunde legen oder ein besonderes (Zwischen-)Verfahren einleiten, in dem die Richtigkeit des fraglichen Rechtssatzes von dem Großen Senat des betreffenden Gerichtshofs bzw. dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bunds überprüft wird. Insbesondere die Anrufung des Gemeinsamen Senats leitet ein schwerfälliges Verfahren ein und wird deshalb gemeinhin gemieden, wo immer es geht. Aber auch die Befassung des Großen Senats hat in einem gesetzlich genau geregelten Verfahren zu erfolgen (vgl. § 11 FGO), dessen Einzelheiten zum Teil strittig sind.
2. Der hier zu besprechende Beschluss ist in einem solchen Anrufungsverfahren ergangen. Vorausgegangen war ein Beschluss des I. Senats des BFH nach § 11 Abs. 3 Satz 3 FGO, mit dem dieser den VII. Senat des BFH fragt, ob er an seiner Rechtsauffassung uneingeschränkt festhält, dass Erstattungsansprüche nicht zu verzinsen sind, wenn sie ohne Änderung einer rechtshängig gewesenen Steuerfestsetzung entstehen. Auf diesen Anfragebeschluss hatte der VII. Senat gem. vorgenannter Vorschrift ebenfalls durch einen Beschluss zu antworten.
3. Solche Anfrage- und/oder Antwortbeschlüsse bleiben der Öffentlichkeit mitunter verborgen, weil sie nicht veröffentlicht werden, ja die Auffassung vertreten wird, sie sollten tunlichst nicht veröffentlicht werden. Das ist schwer nachvollziehbar, da solche Beschlüsse jedenfalls i.d.R. Rechtsfragen von allgemeinem Interesse aufwerfen; auf deren richtige Beantwortung in parallel geführten Verfahren aufmerksam gemacht zu werden und/oder zu der Antwort z.B. durch literarische Stellungnahmen beizutragen liegt im Interesse der Allgemeinheit. Man kann überdies ohnehin niemanden hindern, einen solchen Beschluss (in anonymisierter Form) zu veröffentlichen, wenn er ihn kennt. Dass die Beschlüsse allemal den Verfahrensbeteiligten bekannt gegeben werden müssen, damit diese sich rechtliches Gehör verschaffen können, dürfte zweifelsfrei sein. Ebenso, dass beide Beschlüsse eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhalts und Rechtsproblems und eine Begründung enthalten sollten, sich insbesondere der Antwortbeschluss nicht in einem "Ja" erschöpfen darf, wenngleich selbst das BVerfG jüngst ein (gleichwohl schlechtes) Beispiel für eine andere Handhabung gegeben hat (BVerfG, Beschluss vom 16.1.2002, 1 BvR 10/99, BVerfGE 104, 357).
4. Freilich bereiten solche Beschlüsse eine Entscheidung nur vor, treffen sie aber noch nicht. Mitunter erledigen sie sich, insbesondere weil der anfragende Senat seine Rechtsansicht aufgrund des A...