Prof. Dr. Andreas Ransiek
1. Allgemeines
Rz. 50
§ 257 StGB Begünstigung
(1) Wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.
(3) Wegen Begünstigung wird nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Dies gilt nicht für denjenigen, der einen an der Vortat Unbeteiligten zur Begünstigung anstiftet.
(4) Die Begünstigung wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn der Begünstiger als Täter oder Teilnehmer der Vortat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt werden könnte. § 248a gilt sinngemäß.
Rz. 51
In § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO wird schließlich die Begünstigung einer Person, die eine Tat nach Nr. 1–3 begangen hat, zur Steuerstraftat (Zollstraftat) erklärt. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO geht auf die Regelung des § 356 Abs. 2 RAO 1919 zurück, wonach eine dem Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung gewährte Begünstigung ebenfalls Steuerzuwiderhandlung war. Ergänzt wurde diese Regelung durch § 361 RAO 1919, nach dem die für die Steuerhinterziehung angedrohte Strafe auch für die Begünstigung einer Steuerhinterziehung galt, die jemand seines Vorteils wegen beging. Der Zusammenhang mit dem Unrecht der Vortat wird heute in vergleichbarer Weise durch § 257 Abs. 2 StGB deutlich, wonach die Strafe nicht schwerer sein darf als die durch die Vortat angedrohte Strafe. § 257 StGB ist Anschlussdelikt. Geschützt ist das Interesse an der Wiederherstellung des durch die Vortat beeinträchtigten gesetzmäßigen Zustandes; es geht damit sowohl um den Schutz der Rechtsordnung als Ganze als auch um die Interessen des durch die Vortat geschädigten Einzelnen. Die Selbstbegünstigung ist nicht strafbar. § 258 Abs. 5 und 6 StGB finden nach h.M. keine analoge Anwendung.
Rz. 52
Eine wesentliche Änderung erfolgte durch Art. 19 Nr. 131 EGStGB, nach dem die persönliche Begünstigung, die bis dahin mit der sachlichen Begünstigung in § 257 StGB a.F. zusammengefasst war, ab dem 1.1.1975 aus dieser Vorschrift herausgenommen und in § 258 StGB als Strafvereitelung neu geregelt wurde. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO ist damit die heutige Strafvereitelung keine Steuerstraftat. Gleiches gilt für die Geldwäsche nach § 261 StGB.
2. Tatbestandsvoraussetzungen
a) Vortat
Rz. 53
Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 257 StGB ist das Vorliegen einer rechtswidrigen (Straf-)Tat eines anderen i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB, im Zusammenhang mit § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO also das Vorliegen einer vorangegangenen Steuerstraftat eines anderen nach § 369 Abs. 1 Nr. 1–3 AO. Sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand einer Steuerstraftat – ggf. unter Einschluss besonderer Absichten – müssen und Rechtfertigungsgründe dürfen nicht vorliegen. Schuldhaftes Verhalten ist hingegen nicht erforderlich. Gleichgültig ist auch, ob die Vortat strafrechtlich verfolgbar ist oder nicht, bspw. bei Verjährung. Eine Steuerordnungswidrigkeit genügt nicht. Die Begünstigung einer nach § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO als Steuerstraftat strafbaren Begünstigung (sog. Kettenbegünstigung) ist nur dann Steuerstraftat, wenn gleichzeitig eine Begünstigung der ursprünglichen Tat nach § 369 Abs. 1 Nr. 1–3 AO vorliegt. Als geeignete Vortaten kommen auch Anstiftung und Beihilfe (§§ 26, 27 StGB) zu Steuerstraftaten nach Nr. 1–3 in Betracht, ebenso die strafbare versuchte Tat nach § 369 Nr. 1–3 AO. Im letzten Fall ist es aber unwahrscheinlich, dass bereits ein Vorteil erlangt wurde, den der Begünstiger sichern könnte.
b) Vorteile der Vortat
Rz. 54
Obwohl der Wortlaut das nicht zwingend voraussetzt, wird ganz überwiegend zu Recht verlangt, dass der Vortäter durch die Vortat tatsächlich und nicht nur nach der Vorstellung des Begünstigers einen Vorteil erlangt haben muss, weil ansonsten der Sache nach nur die (eigentlich gerade nicht strafbare) versuchte Begünstigung mit Strafe bedroht wäre. Zum Zeitpunkt der Tathandlung muss dieser Vorteil noch vorhanden sein. Die Rspr. bezieht den vor Erzielung der Beute an einen Beteiligten gezahlten Tatlohn mit ein. Die wohl überwiegende Meinung geht davon aus, dass sich die Sicherungshan...