Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Allgemeines
Rz. 95
Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme richtet sich bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nach den allgemeinen Regeln (s. Rz. 80). Auf die Abgrenzung kommt es dabei vor allem im Verhältnis zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung sowie zwischen Mittäterschaft und Beihilfe an. Aus dem Wortlaut der §§ 25 ff. StGB ergeben sich zumindest Eckpunkte, die den theoretischen Bemühungen zu bestimmen, wer als Täter und wer als Teilnehmer anzusehen ist, verbindliche Grenzen setzen.
b) Täterwille
Rz. 96
Da nach § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB jeder als Täter anzusehen ist, der die Tat selbst begeht, ist zwingend vorgegeben, dass die Täterschaft einer Person nicht allein deshalb verneint werden kann, weil ihr trotz eigener Begehung der Tat der Täterwille fehlt. Dann aber kann auch umgekehrt der bloße Täterwille nicht ausreichend sein, um die Täterschaft einer Person zu begründen, die an der Ausführung der Tathandlung – bei § 370 AO Abs. 1 Nr. 1 AO: dem Machen falscher oder unvollständiger Angaben – überhaupt nicht beteiligt ist. Einigkeit besteht deshalb, dass einer rein subjektiven Täterlehre gesetzlich der Boden entzogen ist. Sie wird auch von der Rspr. nicht mehr vertreten. Maßgeblich für die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme ist folglich nicht mehr allein der Wille, ob jemand die Tat als eigene (Täter) oder als fremde (Teilnehmer) will. So ist bspw. die Auffassung heute unvertretbar, dass derjenige, der das Opfer durch eine eigene vorsätzliche Handlung tötet, trotzdem nicht Täter ist, weil ihm der Täterwille fehlt.
Beispiel 4
A veranlasst Z, wöchentlich beim Grenzübertritt ein Päckchen von A mit Schmuggelgut für ihn mitzunehmen. Z kennt den Inhalt des Päckchens, will jedoch seinem Freund A auf diese Weise behilflich sein.
Die Annahme, dass A Täter sei, weil bei ihm Täterwille vorliege, Z hingegen nur Gehilfe, da dieser Wille fehle, ist heute unhaltbar. Es geht allein darum, wer verpflichtet ist, die Waren anzumelden (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Wer Waren tatsächlich über die Grenze befördert, ist jedenfalls als derjenige anzusehen, der sie einführt oder verbringt (vgl. bspw. § 19 Satz 2 TabStG). Kennt Z den Inhalt des Päckchens nicht und ist er gutgläubig, so handelt es sich in Bezug auf die Einfuhr oder die Verbringung um einen Fall der mittelbaren Täterschaft (s. Rz. 110 ff., 111.1).
Rz. 96.1
Zudem ist dunkel, was überhaupt den Täterwillen ausmachen soll. Denn in gewisser Weise muss auch der (vorsätzlich handelnde) Anstifter oder Gehilfe Interesse an der Tat haben, da sonst nicht erklärbar wäre, warum er überhaupt daran mitwirkt. Was dann genau das täterschaftliche Interesse in Abgrenzung zum Teilnehmerinteresse sein soll, ist unklar.
Rz. 96.2
Es wäre jedenfalls ersichtlich falsch, den Täterwillen ausschließlich oder vornehmlich am persönlichen Interesse am Taterfolg festmachen zu wollen, da § 370 Abs. 1 AO ein solches Eigeninteresse gerade nicht als entscheidende Unrechtsvoraussetzung ansieht. Denn strafbar ist auch, wer für einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangen will und somit fremdnützig und nicht im eigenen finanziellen Interesse handelt.
"Der Gesichtspunkt des Eigeninteresses allein stellt vielmehr nur ein etwaiges dem subjektiven Tatbestand zuzuordnendes Motiv für eine vom objektiven Tatbestand geforderte Handlung oder Unterlassung des Mitunterzeichners dar, die es festzustellen gälte".
Rz. 96.3
Deshalb hat sich auch die Auffassung der Rspr. (zumindest) der h.M. in der Lehre angenähert, dass es auf die Tatherrschaft ankommt.
c) Persönliche Ausführung der Tathandlung
Rz. 97
Eine zweite Grenze für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ergibt sich aus § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB: Täter ist danach auch derjenige, der die Straftat durch einen anderen begeht. Damit ist auch einer rein formal-objektiven Tätertheorie der Boden entzogen, die voraussetzt, dass der Täter die tatbestandliche Ausführungshandlung in eigener Person vornimmt. Für die mittelbare Täterschaft ist das vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht vorausgesetzt worden. Dann kann die tatsächliche Ausführung der Tathandlung aber auch allgemein für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht der allein entscheidende Grund sein.
d) Tatherrschaft
Rz. 98
Damit ist vorgegeben dass sich die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme sowohl aus objektiven als auch subjektiven Kriterien ergeben muss. Es ist damit richtig, wenn die Abgrenzung aufgrund einer wertenden Betrachtung der gesamten Umstände erfolgt, bei denen die objektiven Umstände jedenfalls keine untergeordnete Rolle spielen. In der Rechtslehre hat sich deshalb die Lehre von der Tatherrschaft weitgehend durchgesetzt, die diesen aus objektiven und subjektiven Kriterien bestehenden Begriff zum Leitprinzip für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme entwickelt hat. Tatherrschaft ist danach "das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten ...