Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1130
Zweck des Rechts der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist, dem Täter die Früchte des deliktischen Tuns zu entziehen. Die Einziehung von Taterträgen (vormals: Verfall) zielt darauf ab, das durch eine rechtswidrige Tat Erlangte, bei Tätern und Teilnehmern sowie unter den Voraussetzungen des § 73b StGB bei anderen einzuziehen. Deliktisch erlangte Vermögenswerte sollen dem Straftäter nicht dauerhaft verbleiben.
Rz. 1130.1
Die §§ 73 ff. StGB wurden ursprünglich mit Wirkung zum 1.1.1975 durch das 2. StrRG eingefügt, da die Einführung des Tagessatzsystems bei der Geldstrafe für die Gewinnabschöpfung keinen Raum mehr ließ. Die ursprüngliche Regelung, insb. die Terminologie des "Vermögensvorteils", hatte sich aufgrund der mit der Saldierung verbundenen Schwierigkeiten nicht bewährt, so dass durch das AWG/StGB-ÄndG vom 28.2.1992 der Begriff "Vermögensvorteil" durch den Terminus "etwas" ersetzt wurde. Hiermit wurde nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers statt des zuvor maßgeblichen Nettoprinzips das Bruttoprinzip eingeführt, bei dem der Abzug der vom Täter für die Gewinnerzielung gemachten Aufwendungen ausgeschlossen ist.
Rz. 1130.2
Das Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung wurde durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 vollständig neu gefasst (näher dazu Rz. 1130.4 sowie § 399 Rz. 53 ff.). Dieses trat zum 1.7.2017 in Kraft. Die Meistbegünstigungsklausel des § 2 Abs. 5, Abs. 3 StGB findet aufgrund der Regelung in Art. 316h EGStGB keine Anwendung. Demnach ist das ab dem 1.7.2017 geltende Recht auch auf Taten anzuwenden, die vor dem 1.7.2017 begangen wurden, wenn über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages nach diesem Zeitpunkt entschieden wird. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1.7.2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.
Rz. 1130.3
Die Rechtsnatur des Verfalls bzw. nunmehr der Einziehung von Taterträgen ist seit jeher umstritten. Nach früher h.M. war der Verfall keine Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme (i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) sui generis. Nach der Einführung des Bruttoprinzips im Jahr 1992, wonach der Zugriff nicht auf Gewinne beschränkt ist, sondern auf das Erlangte abzielt, wurde der Verfall nach verbreiteter Ansicht nicht mehr als quasi-konditionelle Maßnahme ohne Strafwirkung verstanden. Es wurde angenommen, dass der Verfall nunmehr strafähnlichen Charakter habe, was die über den Nettogewinn hinausgehende Abschöpfung betrifft.
Die ständige, durch das BVerfG bestätigte Rspr. hat sich dieser Ansicht nicht angeschlossen. Auch mit Wechsel zum Bruttoprinzip habe der Verfall keinen strafähnlichen Charakter erhalten. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolge vielmehr primär präventive Ziele. Die angestrebte Folge, dass auch die Aufwendungen nutzlos werden, diene der Verhinderung gewinnorientierter Straftaten. Der Kondiktionscharakter des Rechtsinstitutes des Verfalls bleibe erhalten, denn die Funktion des zivilrechtlichen Kondiktionsrechts beschränke sich nicht nur auf die Abschöpfung vorhandener Vermögenswerte, sondern diene auch der Korrektur irregulärer Vermögenszuordnungen, wonach es den gutgläubigen Bereicherungsschuldner schütze und dem Bösgläubigen Verlustrisiken zuweise. Nach der Rspr. des BVerfG ist die Vermögensabschöpfung nicht mit einem Strafübel verbunden und unterliegt somit nicht dem Schuldgrundsatz.
Es ist anzunehmen, dass auch nach den Änderungen durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017, welches am Bruttoprinzip festhält, die Rechtsnatur der Einziehung von Taterträgen durch die Rspr. unverändert beurteilt wird. Der Gesetzgeber selbst geht davon aus, dass der quasi-kondiktionelle Charakter der Vermögensabschöpfung durch die Reform nicht infrage gestellt wird.