Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 82
Allgemein geht man davon aus, dass die täterschaftliche Begehung eines Straftatbestands im Vergleich zur Teilnahme das schwerere Unrecht darstellt. Für die Beihilfe nach § 27 StGB folgt das schon aus dem allgemeinen Wortverständnis "Hilfe leisten" und wird belegt durch die Strafandrohung, die sich nach § 27 Abs. 2 StGB zwar nach der Strafe für den Täter richtet, aber zwingend zu mildern ist. Das Gleiche wird allerdings auch im Verhältnis von Täterschaft und Anstiftung angenommen, obwohl die Strafandrohung für die Anstiftung nach § 26 StGB der für die täterschaftliche Begehung entspricht. Trotzdem tritt die Anstiftung hinter der gleichzeitig vorliegenden täterschaftlichen Begehung zurück. Hat also bspw. der eine Mittäter über seinen mittäterschaftlichen Beitrag bei der Ausführung der Tat hinaus den anderen zur gemeinschaftlichen Begehung der Straftat angestiftet, steht die eigene Tatbegehung im Vordergrund und wird als "Mehr" im Vergleich zur Anstiftung begriffen. Denn der Strafgrund der Anstiftung ist nicht darin zu sehen, dass der Angestiftete durch den Anstifter in Schuld und Strafe verstrickt wird, sondern liegt im Angriff des Anstifters auf das Rechtsgut, hier also im Angriff auf die Vermögensinteressen des steuererhebenden Staates (s. Rz. 54).
Rz. 83
Hingegen liegt generell – d.h. ohne eine besondere gesetzliche Regelung, die eine Strafschärfung für solche Fälle vorschreibt – keine Steigerung des Unrechtsgehalts vor, wenn die Tat nicht allein, sondern durch mehrere gemeinschaftlich oder durch einen anderen begangen wird. Hat also eine Person bereits durch ihr eigenes Verhalten den Straftatbestand selbst verwirklicht, kommt es nicht darauf an, ob noch andere Personen in die Begehung der Straftat eingebunden waren. Den Regeln der mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft kommt vielmehr die Aufgabe zu, den Personen, die einen Straftatbestand nicht selbst durch eigenes Verhalten erfüllen, das Verhalten anderer Personen (nämlich das der Mittäter bzw. des Tatmittlers) zurechnen zu können. Die Tatbeiträge der jeweils anderen Personen werden bei Vorliegen der Voraussetzungen der Mittäterschaft bzw. mittelbaren Täterschaft wie eigene behandelt. In den Fällen, in denen der Täter den Straftatbestand schon durch eigenes Verhalten erfüllt, bedarf es der Zurechnung fremden Verhaltens also nicht.
Beispiel 3
Ist bei einer Schmuggelfahrt jede der sich im Fahrzeug befindlichen Personen nach Art. 139 UZK gestellungspflichtig, ist es für die Erfüllung des Tatbestands des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO gleichgültig, ob die Einfuhr ohne Anmeldung der Waren auf einer gemeinsamen Absprache beruht oder nicht. Denn jede Person hat schon für sich selbst der Gestellungspflicht zu genügen und könnte auch schon durch ihre eigene, pflichtgemäße Handlung den tatbestandlichen Hinterziehungserfolg abwenden. Es bedarf also nicht der Zurechnung der vom anderen Pflichtigen unterlassenen Gestellung, um die Tatbestandserfüllung des Einzelnen zu begründen.
Es ist deshalb überflüssig (allerdings im Ergebnis unschädlich), wenn der BGH in vergleichbaren Fällen bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO auf das "bewusste und gewollte Zusammenwirken" einer Person abstellt, "mit den anderen für den Austausch der Frachtpapiere verantwortlichen Mitgliedern der Organisation gegen die [...] Pflicht verstoßen (zu haben), für die Lieferungen [...] unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben".