Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Abdeckrechnungen
Rz. 1301
Bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung werden regelmäßig Steuerstraftaten begangen. Durch falsche Lohn- und Umsatzsteuervoranmeldungen versuchen die illegalen Verleiher, den Differenzbetrag zwischen den erzielten Erlösen und den tatsächlich an die Arbeitnehmer ausgezahlten Löhnen für sich zu erhalten. Zur Verschleierung der Steuerverkürzungen werden häufig sog. Abdeckrechnungen verwendet (s. auch Rz. 1262.2). Bei den Abdeckrechnungen handelt es sich um fingierte Rechnungen von existenten oder auch nicht existenten Subunternehmern über angeblich dem Verleiher erbrachte Fremdleistungen. Die in den Abdeckrechnungen ausgewiesenen Vorsteuern erfassen die illegalen Verleiher in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen und kommen damit unberechtigt zu einer geminderten Umsatzsteuerzahllast. Der auf fingierte Geschäftsvorfälle bzw. auf "Luftgeschäfte" zurückgehende und gegenüber den FinB geltend gemachte Vorsteuerabzug ist bei vorsätzlichem Handeln als Steuerhinterziehung zu werten. Mit den verbuchten Abdeckrechnungen werden zugleich nicht entstandene Betriebsausgaben vorgetäuscht. Der Zweck der Täuschung kann zum einen darin bestehen, dass durch die Verbuchung die Zahlung unversteuerter Arbeitslöhne und damit eine Lohnsteuerverkürzung verschleiert werden soll, zum anderen kann durch die Verbuchung eine unberechtigte Minderung des Gewinns beabsichtigt sein und somit je nach Unternehmensform eine Verkürzung von Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer vorliegen.
b) Lohnsteuerhinterziehung
Rz. 1302
Für die Strafbarkeit wegen Lohnsteuerhinterziehung stellt sich die Frage, wer Arbeitgeber der eingesetzten Leiharbeitnehmer ist und insoweit gem. § 38 Abs. 1, § 41a EStG die jeweilige Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen hat.
Rz. 1302.1
Die Lohnsteuerhaftung bei (legaler und illegaler) Arbeitnehmerüberlassung für (auch ausländische) Verleiher und Entleiher ist in § 42d Abs. 6–8, § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 41 Abs. 2 Satz 2 und § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG geregelt.
Rz. 1302.2
Der Verleiher bleibt auch bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer, denn die arbeitsrechtliche Fiktion der §§ 9, 10 AÜG, der den Entleiher bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung als Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer bestimmt, ist gem. § 41 Abs. 1 AO im Steuerrecht irrelevant. Der Entleiher kann sich aber u.U. noch wegen Teilnahme strafbar machen. Dagegen ist die Kenntnis des Entleihers vom Vorliegen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung noch kein hinreichendes Indiz für eine strafbare Teilnahme an der Lohnsteuerhinterziehung des Verleihers.
Rz. 1302.3
Durch die Regelung des § 42d Abs. 6 EStG kann auch der Entleiher zur Haftung herangezogen werden, wenn die Vollstreckung bei dem Verleiher erfolglos geblieben ist. Bei erlaubter Arbeitnehmerüberlassung scheidet eine Haftung aus (§ 42d Abs. 6 Satz 2 EStG). Die Haftung kann auch ausgeschlossen sein, wenn der Entleiher über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte (§ 42d Abs. 6 Satz 3 EStG). Hat der Entleiher für die verschleierte Personalgestellung Bauabzugsteuern nach § 48 EStG angemeldet und abgeführt oder hatte ihm eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorgelegen, ist er gleichwohl nicht von der Haftung freigestellt, da nach Auffassung des BMF in solchen Fällen die § 48 Abs. 4 Nr. 2, § 48b Abs. 5 EStG nicht anzuwenden sind.
Rz. 1302.4
Der Entleiher haftet auch dann, wenn er ausnahmsweise anstelle des Verleihers selbst die Löhne im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an die Leiharbeitnehmer auszahlt und damit als Arbeitgeber anzusehen ist.
In diesen Fällen ist er bei unterlassener, unrichtiger oder verspäteter Lohnsteueranmeldung tauglicher Täter i.S.d. § 370 AO. Daneben haftet dann der Verleiher gem. § 42d Abs. 7 EStG.
c) Umsatzsteuerhinterziehung
Rz. 1303
Sofern die illegale Arbeitnehmerüberlassung durch Scheinwerkverträge verschleiert wird, kommt eine Umsatzsteuerhinterziehung in Betracht.
Rz. 1303.1
Fraglich ist, ob der Entleiher zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Verleihers berechtigt ist, in denen fälschlich eine Werkvertragsleistung vorgespiegelt wird, obwohl tatsächlich illegal Personal gestellt wurde. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist ein Unternehmer zum Vorsteuerabzug nur aus solchen Rechnungen i.S.d. § 14 UStG berechtigt, die Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen gesondert ausweisen, die von anderen Unternehmen für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. In den Scheinwerkverträgen ist die Bezeichnung der erbrachten Leistungen (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG) jedoch falsch. Nach Verwaltungsauffassung hindert die falsche Leistungsbezeichnung "Werkvertrag" statt "Arbeitnehmerüberlassung" die Minderung der Umsatzsteuer-Zahllast. Nach BFH-Rspr. ist die fehlerhafte Leistungsbezeichnung dagegen unbeachtlich, soweit nur die Rechnungen Angaben tatsächlicher Art enthalten...