Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1567
Umstritten ist, ob eine Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren nur in Form der Steuervorteilserlangung oder auch als Steuerverkürzung begangen werden kann (zur Abgrenzung s. Rz. 371 ff.).
Regelmäßig wird die Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren in Form der ungerechtfertigten Erlangung von Steuervorteilen i.S.d. § 370 Abs. 1 AO begangen. Dabei sei dahingestellt, ob die Tatmodalität der Vorteilserlangung als ein Unterfall der Steuerverkürzung oder eigenständig zu behandeln ist, da das Gesetz ausdrücklich beide Tatfolgen nebeneinander stellt. Auch die Rspr. nimmt bei Steuerhinterziehungen im Beitreibungsverfahren durchweg keine trennscharfe Unterscheidung zwischen den beiden Tatbestandsalternativen vor, was im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG durchaus kritikwürdig erscheint (so auch BGH im Beispiel Rz. 1580.1). Das BVerfG hat jedoch ausdrücklich für die Beitreibungshinterziehung bestätigt, dass auch im Hinblick auf diese Begehungsvariante der Tatbestand des § 370 AO dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entspricht.
Rz. 1568
Es stellt sich die Frage, wie bei Steuerverkürzungen im Beitreibungsverfahren der Taterfolg beschaffen sein muss, vor allem auch wegen der praktisch bedeutsamen Konsequenz im Hinblick auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung. Die in § 370 Abs. 4 Satz 1 AO vom Gesetz getroffene Erfolgsdefinition kann insoweit nicht herangezogen werden, da sie nur Steuerverkürzungen im Steuerfestsetzungsverfahren betrifft.
Überwiegend wird der Verkürzungserfolg außerhalb des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO definiert als ein Zurückbleiben der Ist-Einnahme hinter der Soll-Einnahme, während nach hier vertretener Auffassung die Steuerverkürzung in der Gefährdung der rechtzeitigen und vollständigen Verwirklichung des Steueranspruchs zu sehen ist (s. Rz. 57 ff., 372, 391 ff.). Danach liegt eine Beeinträchtigung des Steueraufkommens grds. bereits dann vor, wenn das Zwangsverfahren zumindest zeitweilig aufgrund unrichtiger Angaben des Stpfl. verzögert wird. Aber auch dann kann nicht in jeder beliebigen Einwirkung auf das Vollstreckungsverfahren eine Tatvollendung gesehen werden, sondern eine Gefährdung des Steueranspruchs im vorbezeichneten Sinne besteht nur dann, wenn sich durch die Manipulation die Möglichkeit zur Anspruchsdurchsetzung gegenüber dem vorherigen Zustand verschlechtert hat.
Rz. 1569
Unabhängig davon, welcher Auffassung man folgt, gelangt man für den Fall der Vermögenslosigkeit des Stpfl. am Ende zu einem übereinstimmenden Ergebnis. Wären Vollstreckungsversuche ohnehin erfolglos geblieben, fehlt es bei entsprechenden Vereitelungsmaßnahmen des Stpfl. am Kausalzusammenhang von Tathandlung und Taterfolg (vgl. auch die Beispiele in Rz. 1577.1, 1579; zum Kausalitätserfordernis s. Rz. 570). Joecks hingegen will die Definition des Verkürzungserfolges im Hinblick auf die Besonderheiten des Vollstreckungsverfahrens modifizieren. Zu fragen sei, wann und in welchem Umfang die Steuer ohne das pflichtwidrige Verhalten des Täters bei ordnungsgemäßem Ablauf des Verfahrens vereinnahmt worden wäre. Sehe die FinB infolge der unlauteren Machenschaften des Steuerschuldners von Vollstreckungsmöglichkeiten ab, so trete Vollendung der Steuerhinterziehung nicht schon dann ein, wenn die Vollstreckungsstelle infolge der Manipulation untätig bleibt, sondern erst zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, in dem eine Vollstreckung erfolgreich gewesen wäre. Dabei sei nicht nur auf die konkret vereitelte, sondern auch auf zukünftige Vollstreckungschancen abzustellen. Nach Hellmann hindert die Zahlungsunfähigkeit nicht die Tatvollendung, sondern ist nur für den Umfang des Verkürzungserfolges maßgeblich.
Rz. 1570
Zum Tatbegriff und zur Tatbeendigung bei sukzessiver Ausführung der Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren s. Rz. 1579.