Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Überblick
Rz. 1547
Die Verbrauchsteuerhinterziehung umfasst die Hinterziehung von Verbrauchsteuern mit Ausnahme derjenigen, die als Einfuhrabgaben geschuldet werden (§ 1 Abs. 1 Satz 3 ZollVG).
Verbrauchsteuern – soweit sie nicht bei der Einfuhr in das Zollgebiet der EU anfallen (s. Rz. 1530 f.) – werden als Binnenabgaben – auch im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten bei Überschreiten der Binnengrenzen – erhoben (s. zum Begriff § 381 Rz. 6 ff.). Die Verbrauchsteuern auf Tabak, Bier, Kaffee, Schaumwein sowie Branntwein und Energieerzeugnisse wurden inzwischen EU-weit harmonisiert (s. § 381 Rz. 8 f.).
Häufige Erscheinungsformen sind bspw. das vorschriftswidrige Entfernen von Waren aus einem Steuerlager, das "Schwarzbrennen" von Branntwein, die "Heizölverdieselung" und Unregelmäßigkeiten im Steueraussetzungsverfahren.
Die Verbrauchsteuer entsteht durch die Überführung in den verbrauchsteuerrechtlich freien Verkehr. Das knüpft an Realakte an, wie z.B. die Entnahme aus einem Steuerlager oder die Herstellung ohne Erlaubnis. Auch das unrechtmäßige Entziehen der verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus einem Steueraussetzungsverfahren oder Unregelmäßigkeiten bei der Beförderung unter Steueraussetzung lassen die Steuer entstehen (s. Beispiel in Rz. 1549).
Bei Einfuhr aus Drittländern können verbrauchsteuerpflichtige Waren auch in ein zollrechtliches Nichterhebungsverfahren (z.B. Versandverfahren) überführt werden mit der Folge, dass die Verbrauchsteuer noch nicht entsteht (Suspensiveffekt). Der Missbrauch durch Steuerversandverfahren dürfte jedoch im Unterschied zum Regelfall des Einschmuggelns unter Tarnware nicht mehr vorkommen, nachdem das Carnet TIR-Verfahren "Tabak/Alkohol" von der Zollverwaltung ausgesetzt worden ist.
Tatbestandsmäßig i.S.v. § 370 AO ist aber nicht der Realakt, sondern die Verletzung steuerrechtlicher Erklärungspflichten, die mit der Steuerentstehung verknüpft sind.
Mit der Steuerentstehung geht die Pflicht zur Abgabe einer Steueranmeldung für die sofort fällige Steuer einher (s. Rz. 317). Die Steuer gilt bereits dann nicht festgesetzt (§ 370 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 AO), wenn die fristgemäße Anmeldung unterbleibt (vgl. § 168 AO). Verbrauchsteuern zählen damit zu den Fälligkeitssteuern, sodass die Tat bei Nichtanmeldung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vollendet ist.
Zum besonders schweren Fall der bandenmäßigen Hinterziehung von Umsatz- und Verbrauchsteuern s. § 370 Rz. 1122 ff.
b) Tabaksteuer
Rz. 1548
Nähere Einzelheiten zur Tabaksteuerhinterziehung (auch zur Abgrenzung Versuch/Vollendung) sind in Rz. 317, 362, 420, 552 und 718 ff. dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass das TabStG durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verbrauchsteuern vom 15.7.2009, mit welchem die Richtlinie 2008/118/EG (sog. Systemrichtlinie) in nationales Recht umgesetzt wurde, zum 1.4.2010 neu gefasst worden ist.
Zu differenzieren ist zwischen der unmittelbaren Einfuhr der Tabakwaren aus einem Drittland oder aus einem bzw. über einen anderen Mitgliedstaat der EU. Beim tatbestandsmäßigen Verhalten sind die Tatvarianten des § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO (Nichtverwenden von Steuerzeichen) und § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO (bei Einfuhr oder gewerblichem Verbringen aus anderen Mitgliedstaaten) zu unterscheiden.
Wird die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nicht erfüllt, gibt es mangels eines kontinuierlichen abschnittsbezogenen Veranlagungsverfahrens keinen allgemeinen Veranlagungsschluss. Für die Tatvollendung ist daher der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem bei rechtzeitiger Abgabe einer Steuererklärung mit der Bekanntgabe einer Steuerfestsetzung zu rechnen gewesen wäre. Tatbeendigung tritt bei Verstößen gegen § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG bzw. § 19 Satz 3 TabStG a.F. nach der Rspr. des BGH demgegenüber erst dann ein, wenn die Tabakwaren die "gefährliche" Phase des Grenzübertritts passiert haben und der Verbringer oder Versender sein Unternehmen insgesamt erfolgreich abgeschlossen hat. Dies ist i.d.R. dann der Fall, wenn die Tabakwaren ihren Bestimmungsort erreicht haben und dort "zur Ruhe gekommen" sind.
Rz. 1548.1
Nur der vor Beendigung des Verbringungsvorgangs erlangte Besitz an unversteuerten Tabakwaren kann die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG begründen. Nach Beendigung eines Verbringungsvorgangs fehlt es an der Strafbewehrung etwaiger verbrauchsteuerlicher Erklärungspflichten, d.h. derjenige, der erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs in den Besitz von Tabakwaren gelangt ist, macht sich nicht wegen Hinterziehung von Tabaksteuer strafbar. Der BGH hält insoweit an seiner Rspr. zur bis zum 31.3.2010 geltenden Fassung von §§ 23 und 19 TabStG fest. Er erkennt zwar an, dass die Deklarierungspflicht des neuen § 23 Abs. 1 TabStG nach der Rspr. von BFH und EuGH auch Besitzer trifft, die das Schmuggelgut (unverzollte und unversteuerte Zigaretten) erst nach dem "Zur-Ruhe-Kommen" in ihren Herrschaf...