Rz. 731

[Autor/Stand] Da der Täter auch über eine Selbstanzeige Straffreiheit bei der versuchten Steuerhinterziehung erlangen kann – § 371 AO nimmt auf § 370 AO insgesamt Bezug und schließt deshalb dessen Abs. 2 mit ein –, war das Verhältnis des § 24 StGB zu § 371 AO früher streitig. Aus der Einschränkung in § 369 Abs. 2 AO ("soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen") wurde geschlossen, dass beim beendeten Versuch der Steuerhinterziehung nur § 371 AO und nicht § 24 StGB anwendbar sei, was dann bedeutsam war, wenn zwar die Voraussetzungen des § 24 StGB erfüllt waren, nicht jedoch die des § 371 AO[2]. § 371 AO sollte also für den Tatbestand des beendeten Versuchs eine abschließende Sonderregelung enthalten und § 24 StGB nur für den Fall des unbeendeten Versuchs Anwendung finden.

 

Rz. 732

[Autor/Stand] Die Anwendung des § 24 StGB wird auch beim beendeten Versuch der Steuerhinterziehung nach inzwischen wohl einhelliger Auffassung nicht durch § 371 AO ausgeschlossen[4]. Die Differenzierung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch findet im Gesetz keinerlei Stütze. § 371 AO lässt sich vor allem auch deshalb nicht als Spezialregelung zu § 24 StGB begreifen, da erkennbar Straffreiheit für die schon vollendete Tat gewährt wird. Warum eine den Täter im Vergleich mit den allgemeinen strafrechtlichen Regeln beim vollendeten Delikt begünstigende Regelung den Versuchstäter im Vergleich zum allgemeinen Strafrecht benachteiligen sollte, ist nicht erkennbar. Beide Vorschriften stehen gleichberechtigt nebeneinander[5]. § 24 StGB ist für den Täter jedenfalls insoweit günstiger als § 371 AO, als nicht notwendig eine Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Angaben erforderlich und der Rücktritt von einer versuchten Steuerhinterziehung nicht zwingend durch das Vorliegen von Gründen i.S.d. § 371 Abs. 2 AO ausgeschlossen ist. Straffreiheit nach § 24 StGB ist schließlich auch nicht von einer Steuernachzahlung abhängig (so aber § 371 Abs. 3 AO).

 

Rz. 733

[Autor/Stand] § 24 StGB setzt in allen Varianten im Gegensatz zu § 371 AO Freiwilligkeit voraus, wenngleich die Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO eine Nähe zu Konstellationen aufweisen, in denen auch ein Rücktritt als unfreiwillig angesehen würde[7]. Freiwillig handelt der Täter dann, wenn er davon ausgeht, dass er die Tat ohne unvertretbar erhöhtes Risiko noch ausführen und ihren Zweck erreichen kann und trotzdem darauf verzichtet[8]. Das ist unabhängig davon, ob bei seinem Entschluss auch äußere Umstände relevant sind oder dritte Personen auf ihn einwirken.

 

Rz. 734

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2020
[2] Vgl. RG v. 11.5.1922 – III 142/22, RGSt 56, 385 (386); RG v. 2.3.1925 – III 959/24, RGSt 59, 116 (117); BGH v. 18.10.1956 – 4 StR 166/56, BStBl. I 1957, 123.
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2020
[4] BGH v. 19.3.1991 – 5 StR 516/90, BGHSt 37, 340 (345); bereits früher BGH v. 20.7.1965 – 1 StR 95/65, BB 1966, 107; Joecks in JJR8, § 369 AO Rz. 665; Schmitz/Wulf in MünchKomm/StGB3, § 370 AO Rz. 397; Spatscheck/Bertrand, DStR 2015, 2420 f.
[5] BGH v. 19.1.1982 – 5 StR 791/81, StV 1982, 259; BGH v. 27.8.2009 – 4 StR 306/09, NStZ-RR 2009, 366.
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2020
[7] Zu den Ähnlichkeiten vgl. Ransiek/Hinghaus, StV 2010, 711.
[8] S. Kühl in Lackner/Kühl29, § 24 StGB Rz. 16 ff. m.w.N.; vgl. auch Zaczyk in NK/StGB5, § 24 StGB Rz. 63 ff.
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2020

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